Liebe Yamaneko, ich hatte deinen Post gesehen, jetzt ist er wieder weg, ich antworte aber trotzdem einfach mal.
Hier ist einmal ein Versuch, so einen Satz grammatisch etwas aufzuschlüsseln. Ich habe leider den Rickmeyer für Baumdiagramme nicht zur Hand, von dem hier die Rede war, ich könnte hier aber ohnehin keines zeichnen. Wichtig ist den meisten Professoren vermutlich einfach, dass Studenten die Abhängigkeiten der Wörter untereinander erläutern können. Ich mache mal nur den ersten Satz, weil das ewig lang wird:
Satz 1
shigatsu no jôjun, tokyo de sakura ga monkai no koro, kitanihon de wa yatto yukidoke ga hajimari, ume no sakari to naru.
(Anfang April wenn in Tokyo die Kirschbäume voll erblüht sind, beginnt in Nordjapan endlich die Schneeschmelze und es kommt zum Höhepunkt der Pflaumenblüte.)
Wenn man nicht weiß, wie man solch einen Satz entschlüsseln soll, und aus dem Stegreif Problem hat oder sich nicht absolut sicher ist, beginnt man normalerweise beim Verb. Das Verb ist der Mittelpunkt des Satzes, im Deutschen wie im Japanischen. Im Japanischen steht es am Satzende. Es hat auch die Form (shushikei), die es dort haben sollte. Das Verb steuert die anderen Teile im Satz, dafür verlangt es erst mal bestimmte andere Satzteile. Im Japanischen werden diese über Postpositionen (oder Partikeln) gesteuert, im Deutschen über Fälle und Präpositionen. Wir finden die Postpositionen no und to vor. Es hätten auch andere Postpositionen mit naru zusammen genutzt werden können, beispielsweise kara oder ni. Jedenfalls gibt naru vor, welche Postpositionen auftauchen können, die Zahl ist begrenzt.
naru bedeutet werden, to wird durch naru gesteuert und zeigt, wie oder zu was etwas wird. Etwas wird also sakari, es gelangt an seinen Höhepunkt. Jetzt müsste man fragen, was auf seinen Höhepunkt gelangt, die Partikel no ist die einzig verbleibende Partikel im Satz, davor kommt ein Verb, das gehört erst mal nicht zu diesem Satzteil dazu. Ob man diesen Satz so bilden kann, wie ihn Trinity hier gepostet hat, weiß ich nicht, normalerweise und meinem Sprachempfinden nach kann no im Hauptsatz das Subjekt nicht ersetzen, ich hätte einen Satz mit ga erwartet (ume no hana ga sakari to naru). Ich bin aber kein Muttersprachler. Vorausgesetzt, der Satz ist so in Ordnung (ich konnte keine vergleichbaren Sätze bei einer Google-Suche auf Japanisch finden, hab mich aber auch nicht lange bemüht), dann verbindet das no die beiden Substantive ume und sakura. Wir haben noch kein Subjekt gefunden, lassen es also erst mal weg: (Es) wird der Höhepunkt der Pflaume. Oder: (Es) kommt zum Höhepunkt der Pflaume(nblüte).
Als Nächstes dran ist das Verb hajimari. Es steht mitten im Satz. Das können Verben im Japanischen in der Regel nicht einfach so tun, es sei denn, sie stehen in einer bestimmten Form. Die te-Form wäre eine Möglichkeit, die renyôkei ist eine andere. Hajimari ist ein fünfstufiges Verb, die renyôkei lautet also hajimari, das passt grammatisch. hajimari ist ein intransitives Verb, braucht also nur ein Subjekt, um zu funktionieren (im Deutschen genauso). Dieses sollte ga lauten, das ist auch vorhanden, die Schneeschmelze beginnt. yatto steht als Adverb (endlich) allein im Satz, das ist okay, bleibt noch das Satzthema mit wa und de, dies ist erstmal der Ort, über den wir sprechen (wa), und wo etwas passiert (de). Also: In Nordjapan beginnt endlich die Schneeschmelze und die Pflaumenblüte erreicht ihren Höhepunkt.
Als Nächstes koro. Das ist ein Substantiv, das für Zeitangaben verwendet wird. mankai (nicht monkai) ist ein Substantiv, dies kann man über no anbinden, in diesem Fall gehört alles vor mankai auch zum Attributivsatz auf koro: Die Zeit, in der in Tokyo (Ortsangabe über de), die Kirschblüte (Subjektspartikel ga) in voller Blüte (mankai) steht. Der mit Komma abgetrennte Teil davor ist ein zweiter attributiver Teil zu koro.
Damit haben wir den Satz entschlüsselt (mit dem Versuch, möglichst nah am Original zu bleiben): Anfang April, zu der Zeit, da in Tokyo die Kirsche in voller Blüte steht, beginnt in Nordjapan die Schneeschmelze und die Pflaume(nblüte) gelangt zu ihrem Höhepunkt.
Die grundsätzliche Satzstruktur ist:
A no koro, B de wa C ga hajimari, D to naru.
Der A-Teil wird als attributiver Nebensatz beim Substantiv mankai über no angebunden. Ansonsten gibt es nur Hauptsatzstruktur.
Das wäre meine grammatische Interpretation des Ganzen. Wichtig ist bei so etwas wohl insbesondere, dass man grundsätzlich erklären kann: Wo ist das Verb? Welche Partikeln braucht das Verb, um zu funktionieren? Ist es ein fünfstufiges oder ein einstufiges Verb? Wie muss es richtig konjugiert werden? Warum ändert es an dieser oder jener Stelle seine Form? Wie bindet man einen Nebensatz an? Wie verbindet man die einzelnen Wörter untereinander? Wenn man diese Fragen klären kann, benötigt man grundsätzlich kein Baumdiagramm, denn die Dependenzen untereinander werden abgeklärt. Es gibt sicherlich manchmal interpretatorische Zweifelsfälle, aber in der Regel lässt sich mit einem guten Wörterbuch (kôjien, daijirin) und einer guten Grammatik (Lewin, Rickmeyer) alles einigermaßen zweifelsfrei erklären oder ausschließen.
So, Satz 2 mache ich aber nicht
Das wird zu lang. Würde aber im Prinzip gleich aussehen: Hinten beim Verb anfangen, dann nach vorn durcharbeiten.