In einer Diskussion über den
Nutzen von Lehrbüchern kamen wir auf ein interessantes Nebenthema, das hier zum Hauptthema werden soll: Unsere Wahrnehmung des Japanischen als fremdartige, einzigartige Sprache, die wie
Datenshi es formuliert hat teilweise zu einer Mystifizierung führe.
Er hat angeregt, ein eigenes Thema dazu zu eröffnen.
Ich möchte vorschlagen, folgendermaßen zu disuktieren: Zuerst sollten wir sammeln, was eurer Meinung nach das Japanische so besonders, so anders, vielleicht auch so schwer macht. Erstmal eine wertungslose Sammlung, ohne über Sinn und Unsinn der einzelnen Beiträge zu diskutieren; ein Brainstorming. Wenn wir dann einiges haben, können wir sehen, ob wir vielleicht Tendenzen, Kategorien oder Ähnliches finden können. Dann sollten wir versuchen, darüber zu diskutieren, ob das überhaupt haltbar ist.
Doch zuerst einen Rückblick auf das, was in dem anderen Thema gesagt wurde:
Sa-Sha:
Man kann Japanisch in kaum einer Weise mit anderen Sprachen vergleichen; die Satzmuster und idiomatischen Feinheiten zu unterschiedlich. Sowas prägt sich - meiner Ansicht nach - dann auch einfach nicht gut ein.
Datenshi:
Gääähn... hört das eigtl. niemals auf? Mein Gott, wie besonders doch das Japanische ist, in jeder Hinsicht. Sicher gibts für dt. Muttersprachler Sprachen, die sich erstmal leichter aneignen lassen als das Jap., aber das liegt nicht in der Sprache selbst. Man kann das Japanische durchaus mit anderen Sprachen vergleichen, auch wenn das gerne mal ignoriert wird zugunsten von Mystifizierungen wie sie hier jetzt auch zu finden sind, nur wird man dann leider feststellen, daß das J seine Sonderstellung in jederlei Hinsicht in den Köpfen vieler Leute, Japaner wie Westler und andere Nicht-Japaner, nur in den seltensten Fällen verdient.
Vielleicht auch mal ein paar andere Sprachen lernen (ich meine nicht die gängigeren Schulsprachen hier), dann relativiert sich da einiges bei diesen Ansichten.
gakusei:
Japanisch ist leider, bspw. im Vergleich zum Erlernen romanischer Sprachen (und da gibt mir Datenshi hoffentlich recht) insofern besonders, dass man nach dem Durcharbeiten verschiedener Anfängerbücher, gemessen an dem was man im japanischen Alltag so braucht, leider so gut wie gar nichts kann (bzgl Grammatik und Wortschatz und allem anderen auch). Man muss sich als japanischlernenden Europäer (bspw) einfach durch eine sehr lange Anfänger und Mittelstufenphase kämpfen bevor man tatsächlich, "freiere Wege einschlagen", also selbstständig /mit "Originalmaterial" (i.e. Zeitung/Bücher lesen, japanische Filme gucken) weiterlernen kann! Da heißt es einfach mal Zähne zusammenbeißen und durchhalten. Bei Spanisch kannst du nach einem Jahr lockeren Lernens Filme größtenteils verstehen, und deinen Wortschatz erweitern indem du Bücher liest und musst dabei viele Wörter nicht einmal nachschlagen, weil sie englischen oder gar deutschen Wörtern ähneln. Das geht halt im Japanischen nicht so schnell. Nach einem Jahr intensiven Lernens (mit Kursbüchern) nur sehr schwer bzw. gar nicht, und nach einem halben Jahr erst recht nicht.
Sa-Sha:
@Datenshi:
1. Ok, Karten auf den Tisch: mit welcher Sprache ist japanisch den verwandt? Wo hole ich mir die Inspiration? Nach wieviel Jahren bin ich damit fertig?
Und du meinst also auch noch, nur weil es evtl. ähnliche Sprachen gibt, dass alles dann unexotischer für deutsche Japanischlerner wird?
2. Klar, vielleicht hilft es, wenn ich eine andere exotische Sprache draufhabe, aber meinst Du, das Alexx schon Thai od. Chinesich kann? Oder ich, oder die meisten anderen hier?
3. Ich mystifiziere nichts. Japanisch ist nunmal für die meisten Leute sehr neuartig und schwer zu verstehen. Sonst gäbe es in diesem Forum auch nicht so viele Postings zu Grammatik und Übersetzungen. (...)
Datenshi
1) Zur 1. Frage: Nachweislich nur mit Uchinaaguchi, spekulativ offenbar mit so ziemlich jeder Sprache der Welt.
Zur 2./3. Frage: Wie kommst du jetzt auf Inspiration? Wenn du Lernerleichterungen durch einen gewissen Grad an Bekanntheit meinst, dann gibts einiges... für die Struktur der Sprache wären die meisten SOV-Sprachen nützlich, also z.B. die sog. Altaischen Sprachen. Turksprachen inkl. Türkisch, mongolische Sprachen und Mandschurisch oder ne andere mandschutungusische Sprache können nicht schaden im Zweifelsfall. Gibt aber auch außerhalbs Asien durchaus genügend ähnliche Sprachen in dieser Hinsicht, für Deutsche dürfte aber wohl letztlich das Türkische am leichtesten greifbar sein. Was Vokabular angeht, so hilft bei den meisten in Europa gesprochenen Sprachen natürlich Latein immens, nicht nur bei romanischen Sprachen. Analog hierzu kann fürs Sinojapanische das Latein Asiens, sprich das Chinesische, nicht schaden. Beim reinjapanischen Anteil am Vokabular steht man alleine, aber da gibts außer ein paar lookalikes auch nichts in anderen Sprachen, was einen das Lernen da erleichtern könnte. Kann man nicht direkt Chinesisch, helfen auch eine Reihe anderer Sprache mit stark sinitischem Einschlag im Wortschatz, allen voran wohl das Koreanische (was auch noch strukturell dem Japanischen weitestgehend gleicht), aber auch Vietnamesisch usw.
(...)
3) Neuartig ist einem erstmal jede Sprache, mit der man neu beginnt. Liegt auf der Hand. Was mir aufstößt ist dieses ewige Gelaber "also das kannst du beim Lernen anderer Sprachen vielleicht noch machen, _aber beim JAPANISCHEN_ geht das doch nicht!" und dann dieses Geseier vonwegen "das Japanische hat eine Seele! so darfst du nicht mit der Sprache umgehen und über sie denken!" und allgemein alles was auf ein "das J ist ja sooo besonders" hinausläuft. Egal ob Japaner oder sonstige Leute sowas sagen. Ist i.d.R. nur ein guter Indikator dafür, daß die betreffenden Leute außerhalb des Japanischen und ggf. ihrer Muttersprache nicht viel an Sprachen gesehen, geschweige denn gelernt haben. Einige Japanologen sind hier sicherlich nicht ausgeschlossen...
Aber nochmal zum Mystifizieren... sieh doch, was du selbst geschrieben hast:
Zitat:
Man kann Japanisch in kaum einer Weise mit anderen Sprachen vergleichen
usw. Das triffts doch ziemlich gut... ein besseres Beispiel konntest du mir kaum liefern.
Sa-Sha
also das mit den Sprachverwandtschaften war rein rhetorisch.
Es geht doch einfach nur darum, dass wenn Alex zum ersten Mal mit einer Sprache in Berührung kommt, bei der z.B. Partikel agglutiniert werden, dass das schon gewöhnungsbedürftig ist....
Für Interessierte:
aus"Abriß der japanischen Grammatik" von Bruno Lewin:
...und wenn es eine Million solcher Sprachen geben sollte, ist das piepegal!
(...)
Zitat:
VERWANDTE SPRACHEN<br />
Und die Sache mit der hohen Eintrittsbarriere durch die chin. Schriftzeichen in den versch. asiatischen Sprachen, im Vergleich zu den nichtasiatischen Sprachen stimmt denke ich schon. Andere Sprachen habe bestimmt auch ihre Härten, das bestreitet doch niemand, aber bevor man in irgendeiner Sprache was reißen kann, muss man halt Lesen und Schreiben lernen, und das dauert bei diesen Sprachen halt ein bisschen länger. Oder siehst du das anders?
AU:
Es hat den Hauch des Besonderen, des Unbekannten und nicht wenige implizieren doch automatisch, dass Du überdurchschnittlich intelligent sein musst, um diese Sprache zu lernen. Und die Popularität Japans (das unbestritten wirtschaftlich zu einem Land der "1. Welt" gehört und dessen kulturelle Elemente hierzulande schon über erstaunlich lange Zeit "en vogue" sind) trägt ihr Übriges zu den einzelnen Reaktionen bei.
Lernt meinetwegen Griechisch, Türkisch, Hindi, Koreanisch, Tibetisch, Arabisch, was auch immer ... mit Chinesisch dürftet Ihr vermutlich derzeit noch ein paar Oh's und Ah's hervorlocken (weil es einigermassen "in" ist), aber der Mythos Japan in unseren westlichen Gefilden... so sehr mir das ebenfalls auf den Wecker fällt, ist und bleibt eben doch ein Phänomen.
Und damit schliesst sich der Kreis um die "Faszination Japan".