Afterdark
Murakami Haruki, übersetzt von Ursula Gräfe (deutsche Erstausgabe 2005)
Orginaltitel: アフタ-・ダ-ク(Kodansha, Tokyo, 2004)
DuMont Verlag, Köln
ISBN 3-8321-7940-2
237 Seiten, gebunden
€19,90
Murakami geht um 9 Uhr ins Bett, steht um 4 Uhr früh auf, schreibt bis 11 Uhr jeden Tag 4000 Zeichen und nachmittags verwendet er für Fitness und leasure. Er lebt gesund und wenn ihm danach ist, fährt er nach Shibuya und kauft dort Jazzplatten. Murakami schrieb „Kafka am Strand“ in sechs Monaten ohne einen Plan zu haben, wie das Buch ausgeht. So auch dieses Mal.
Nach der verfilmten Kurzgeschichte Tony Takitani nun wieder ein Roman in abendfüllender Länge.
Afterdark
„23:56 Uhr. Vor uns liegt eine Großstadt.“
Das Buch beginnt wie das Filmskript einer Fortsetzung von Jim Jarmushs „Night on Earth“. Der Schreibstil in der „wir-Form“, der sich durch die Kapitel zieht, setzt den Leser hinter die Kamera und lässt ihn durch die Neon-erleuchteten Straßen mit ihren am Morgen abzuholenden Müllsäcken des Love-Hotel-Viertels von Shibuya hindurch fahren.
Ein Zwischenfall“ in einem solchen Love Hotel ist der Ausgangspunkt für die Erzählung, die aber bereits im Morgengrauen schon wieder ihr Ende findet. Eine halbe Nacht lang, doch weder rasant noch laut, sondern die Atmosphäre der leeren Straßen Tokyos durch die imaginäre Linse des Lesers – oder doch des Autors – einfangend, zuweilen grob und oberflächlich und dann wieder in Details verschrieben, entführt uns Murakami in Sehnsüchte junger Menschen.
Die Hauptdarsteller scheinen im Gegensatz zu seinen bisherigen Romanen ganz normale Tokyojin zu sein, keine Außenseiter, keine verklärten Träumer. Dennoch haben sie ihren ganz individuellen Charakter, den man aber nur in diesen Personen zu finden glaubt.
Wäre da nicht diese Parallelgeschichte der Schwester der Hauptdarstellerin. Und hier schließt sich der literarische Kreis um die absurd-mystisch klingenden Stories, die den Erzählstil Murakamis so einzigartig machen: eine Frau, magisch schön, liegt seit Monaten zuhause in einem Dauerschlaf. Die Einblendungen der Nebengeschichte stören vermeintlich die eigentliche Geschichte, da sie im Gegensatz zur Haupterzählung „murakamisk“ unreal erscheint, den Leser in die Erwartungshaltung verleitend, es würde nun etwas passieren - genauso oder beinahe so unverständlich wie der Schafsmann im Dolphin Hotel.
Währenddessen webt sich um die Hauptstory – eine chinesische Prostituierte wird von einem Freier blutig geschlagen – eine weitere neue, ohne das Verbrechen erzählerisch zu Ende zu denken. Die Geschichte endet im Kopf des Lesers.
Murakamis Liebe zur Jazzmusik zeigt sich nicht nur im Titel. Wer seine Bücher kennt, weiß, dass sie immer einen wichtigen Teil in seinen Erzählungen darstellen. So auch in Afterdark.
Man wird vielleicht beim ersten Mal lesen enttäuscht sein, da der Schreibstil sehr überzogen wirkt – man könnte fast mutmaßen er kokettiert mit sich selbst.
Fazit
Afterdark ist die logische literarische Weiterentwicklung eines einzigartigen Schriftstellers. Anders aber nicht gewöhnungsbedürftig.
Anmerkung:
Afterdark wurde noch nicht ins Englische übersetzt – erste Veröffentlichungen sind für 2010 angepeilt? In Japan war es im März dieses Jahres noch unter den Top10 der Verkaufsliste.
Wie schon bei Tony Takitani hat der Verlag die Geschichte buchbindetechnisch gestreckt: um gut zwei bis drei Leerseiten pro Kapitel (und davon gibt es 18): es sind also 40 Seiten von der oben angegebenen Seitenzahl abzuziehen.
und zum Einstimmen, bis das Buch zu Hause ist, denn lesenswert ist es auf jeden Fall:
http://www.geocities.jp/yoshio_osakabe/H...hosen.html