(05.04.15 10:32)afi schrieb: Sagt man im Deuschen nicht eher 'nicht brauchen' statt 'nicht müssen' - reines Bauchgefühl ... oder ist das nur deutsches 敬語?
"Brauchen" als echtes Modalverb (also ohne "zu") zu verwenden ist eine nicht ganz neue Tendenz in der Umgangssprache und ist wohl nicht in der Hochsprache angekommen. Es waren bestimmt deutschtümelnde Rauschebärte im 19. Jhd, die diesen Sprachgebrauch nicht mochten und den Spruch in die Welt setzten "wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen." Was paßte ihnen daran wohl nicht? Vielleicht weiß jemand (ich nicht) ob dieser Sprachgebrauch ähnlich wie im Französischen wäre, also nach den Befreiungskriegen nicht politisch korrekt.
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"Du mußt nicht" und "you must not" ist wohl das bekannteste Beispiel für einen falschen Freund. Vor allem, wenn man als Deutscher vom Japanischen ins Englische übersetzt muß man höllisch aufpassen. Wir sprechen geradezu von 和製英語 d.h. in Japan verfertigte pseudoenglische Brocken. Um zu erkennen, daß das im Einzelfall garkein Englisch ist, muß man schon ordentlich was drauf haben. Ein weiteres wohlbekanntes Beispiel: "Lenkrad" (eines Autos) heißt "Handle" - aber nur auf Japan-English. Auf Englisch-Englisch haben Autos kein handle, allenfalls ein handling, also ein Fahrverhalten.
Ich habe mal auf NHK gehört, daß die zuständigen Samurai (die wohl auch nicht alle so dolle Chinesisch konnten) bei der Einführung chinesischer Fremdwörter zahlreiche Fehler gemacht hätten, die sich aber im Sprachgebrauch verfestigt haben. Außerdem läuft derzeit in China eine Sprachreform, die möglichst viele Japonismen gegen neue chinesische Wortschöpfungen austauschen will. Als akribisch arbeitender Übersetzer muß man dauernd Sachen im Lexikon nachschlagen, die man eigentlich schon weiß. Übrigens geschieht ähnliches auch im Deutschen: während meiner Tätigkeit als Übersetzer wurde die deutsche Fachsprache der Chemie so gravierend überarbeitet i.e. an irgendso amerikanische Standards angepaßt (könnte ich nachschauen, aber egal), irgendwann war das durchgesetzt, nunmehr kamen Beschwerden, was für altmodischen Sprachgebrauch ich pflegen würde, also sagte ich zu mir: mach mal keine Chemie mehr. Chemie ist ohnehin so eine Sache: dreißigtausend Fachausdrücke (das ist der Stand von vor hundert Jahren).
Um es mit den Worten Konrad Adenauers zu sagen: es bleibt schwierig.