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Balzac und die kleine chinesische Schneiderin
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Toji


Beiträge: 603
Beitrag #1
Balzac und die kleine chinesische Schneiderin
Hallo zusammen. Ich möchte euch ein Buch bzw. einen Film vorstellen.

Es handelt sich um "Balzac und die kleine chinesische Schneiderin". Wenn man danach googelt bekommt man schon ne ganze Menge Buchkritiken. Ich bin durch 'aspekte' darauf aufmerksam geworden:
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/9/0,1872,2086793,00.html

Es handelt sich um eine Geschichte die während der Kulturrevolution in China spielt. Das ist zwar nicht ganz Japan, aber ich glaube, es lohnt sich etwas über den Tellerrand zu lunschen.
Während der Kulturrevolution werden also zwei intellektuelle Söhne aus der Stadt zur 'Umerziehung' aufs Land zu den Bauern geschickt. Geschrieben wurde das Buch semi-autobiographisch von einem Chinesen, der heute in Paris lebt. Er erzählt, wie sich das Leben ohne Literatur und Kultur lebt. Und er erzählt, wie die beiden dann in weit entfernte Dörfer reisen, um einen Film zu sehen, und ihn dann zu Hause nachzuerzählen. Und wie sie Bücher stehlen, und Mozart in einen Mao-Fan verwandeln, um ihn spielen zu können. Durcheinander gebracht wird das ganze von der Liebe der beiden zu einer Schönheit aus der Nachbarschaft, einer Schneiderin, die nicht lesen kann, aber ihre Liebe zu Balzac entdeckt.

Das Buch wurde auch mit wunderschönen Landschaftsbildern verfilmt. Und zwar in der Landschaft des Yangtse bei den drei Schluchten, die nun leider bald überschwemmt sein werden. Der Film kommt am ersten Weihnachtsfeiertag in die Kinos.
Die Geschichte führt sehr schön vor Augen was wir an der Kultur haben, bzw. was wir ohne sie nicht hätten. Ich werde es jedenfalls zu Weihnachten weiterverschenken. Wenn man schon Literatur schenkt, kann man auch Literatur über Literatur schenken. hoho

Erschienen im Piper-Verlag, September 2002, 199 Seiten
ISBN: 3492044514
Amazon.de:
http://www.amazon.de/exec/obidos/search-...63-5570141
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 06.12.03 21:54 von Toji.)
06.12.03 21:51
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Jarek


Beiträge: 234
Beitrag #2
RE: Balzac und die kleine chinesische Schneiderin
Als ich die Buchkritiken zu "Die kleine Schneiderin" gelesen habe, war ich von dem Buch ziemlich begeistert und ließ es mir gleich zum Geburtstag schenken. Es ist ja (erstaunlicherweise) zum Bestseller geworden. Nach dessen Lektüre muß ich allerdings enttäuscht feststellen, das es nicht besonders empfehlenswert ist. Der Sprachstil ist kindisch-naiv, den Charakteren fehlt eine psychologische Komponente, sie werden nur oberflächlich umrissen. Der Autor Dai Sijie bemüht sich, rund um eine geheimnisvolle Bücherkiste eine heitere Erzählung über die Zeit der Kulturrevolution zu basteln, doch beim Bemühen bleibt es aber auch. Die großartige Idee, die Liebe zu Büchern und zur Literatur als ein universelles zivilisatorisches Mittel in einem schwierigen totalitären Umfeld zu behaupten, setzt er amateurhaft um - hätte er sich doch bloß eine kleine Scheibe vom Erzählstil seiner großen Vorbilder Balsac, Tolstoi, Dostojevski abgeschnitten!

Am Ende der Geschichte empfand ich ein Gefühl der Leere, soll das schon alles gewesen sein? Die kleine Schneiderin entpuppt sich als ein Flittchen und eine undankbare Zicke ohne Benehmen - ich will dem Ende nicht vorgreifen, aber ich fand ihr Verhalten einfach unmöglich. Meines Erachtens ist bei ihr "die Balsac'sche Umerziehung" total fehlgeschlagen.

Was ich dem Buch zusätzlich vorzuwerfen habe, ist der verklärte Umgang mit der Kulturrevolution. Beim unvoreingenommenen Leser mag nach dieser Lektüre der Eindruck entstehen, die Kulturrevolution sei eine mehr oder weniger harmlose Zeit gewesen. Dass es eine Zeit des übelsten Terrors mit Millionen von Toten war, ist diesem Buch nicht zu entnehmen. Wer ein unverklärtes, authentisches, schonungsloses Buch über diese Zeit lesen will, der greift lieber zu "<a href="http://www.amazon.de/exec/obidos/search-handle-url/index=books-de&amp;field-title=wilde%20schwane" target="_blank">Wilde Schwäne[/url]". Mao sagte einmal: "Auch wenn es zu einem Atomkrieg kommt, und auch wenn 300 Millionen Chinesen dabei sterben, es bleiben immer noch 300 Millionen übrig, um China wieder aufzubauen."

Und warum kommt der Film erst jetzt in die Kinos? Er ist doch schon über ein Jahr alt. Im Ausland ist er schon ein alter Hut, während er in Deutschland als eine Neuheit verkauft wird. Warum brauchen die Verleiher hierzulande immer so eine Ewigkeit? Wahrscheinlich liegt es teilweise an der langwierigen Synchronisationsarbeit, aber trotzdem.



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Was am schnellsten vergeht, sind die Jahre...
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08.12.03 12:06 von Jarek.)
08.12.03 11:57
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