(30.06.14 19:02)Woa de Lodela schrieb: Es gibt auch ausländische Studenten, die können Japanisch und studieren in der Landessprache. Klar weiß ich, dass es englische Programme gibt. Würde ich aber nie machen, da ich immer vor allem wegen der Sprache ins Ausland gehen würde. Aber na ja, chacun à son goût. Gibt's übrigens auch z.B. in Schweden, Finnland etc. Alles auf Englisch. Für die ausländischen Studenten, aber auch für die Einheimischen, die ja nunmehr sowieso alle nur noch Englisch sprechen sollen.
Ich finde, das siehst du zu streng. Ich habe auch Chinesisch gelernt (allerdings nur ein Jahr), bevor ich nach Taiwan geflogen bin. Als ich angekommen bin habe ich praktisch nichts verstanden. Zuerst musste ich mein theoretisches Wissen überhaupt mal in die Praxis übertragen. Außerdem konnte ich so oder so nicht so viel, als dass ich da was hätte verstehen können.
Wie hätte ich da denn jetzt bitte schön eine wissenschaftliche Diskussion über Optionspreisberechnung in Excel mit VBA auf Chinesisch verfolgen sollen? Das geht einfach nicht. Und das ist insbesondere bei praktisch allen außereuropäischen Sprachen so. Du kannst mir nicht sagen, dass viele Leute solche Sprachen nach 2–3 Jahren, die sie teilweise dann auch nur im Nebenfach belegt haben (siehe doch den Threadersteller, er ist (Medizin-)Informatiker), auf so einem Niveau beherrschen sollten? Und das ganze schon im Voraus?
Wenn eine Uni keine englischsprachigen Vorlesungen anbietet hat das folgenden Effekt: Entweder, du bist tollkühn genug und setzt dich dann mit deinem bisschen Wissen in die Vorlesung (oft sind die Vorlesungen in solchen studiengebührpflichtigen asiatischen Unis aber eher vergleichbar mit deutschen Seminaren, also wesentlich kleinere Gruppen) und verstehst praktisch Null. Klar, du kannst dich dann mit einem Diktiergerät hinsetzen, alles aufnehmen, und den Rest des Tages dann versuchen, zu entschlüsseln, was der Professor da so erzählt hat. Denkst du im Ernst, das zieht jemand länger als einen Tag durch?
Viel eher wird es daraus hinauslaufen, dass einfach kein Ausländer mehr in den Kurs kommt. Und was machst du dann den Rest deines schönen Austauschsemesters? Du besuchst noch deinen Sprachkurs, aber mehr als 2 oder 4 Stunden pro Tag beschäftigt dich das ja auch nicht. Das spricht sich dann natürlich auch herum, und im nächsten Jahr wird wahrscheinlich niemand mehr an die Uni kommen. Vielleicht mit Ausnahme der 1 oder 2 Studenten, die bereits vor ihrem Austauschsemester ein perfektes Sprachniveau haben. Das sind dann natürlich auch nur Japanologen, aber keine Medizininformatiker, die sich einfach für Japan interessieren. Und ist es nicht sinnvoll, Japankenntnisse auch mal ein wenig abseits der Japanologen, die sowieso irgendwann nach Japan fahren werden, zu fördern?
Wenn eine Uni allerdings englische Vorlesungen anbietet, verirren sich da doch mal Austauschstudenten hinein. Und, oh Wunder, man knüpft Kontakte mit den Einheimischen. Ist das nicht das Ziel eines Austauschstudiums? Ganz ehrlich, irgendetwas fachliches zu lernen kann ich auch wesentlich effektiver zuhause. Dort werden mir alle Kurse perfekt angerechnet, ich kann super lernen, werde nicht durch die interessante Umgebung abgelenkt und – das wissen wir ja auch – ist die Qualität der Lehre doch etwas hochwertiger als in Asien. Im Austauschstudium möchte ich aber doch viel lieber Kontakte mit den Einheimischen knüpfen, und die Einheimischen dort sollen auch Kontakte mit den Ausländern knüpfen. So funktioniert Völkerverständigung.
Wie man aber ohne solche Kurse überhaupt in Kontakt mit den Einheimischen kommen soll, musst du mir mal erklären. Im Sprachkurs selber ist man ja in seiner Ausländerblase gefangen.
Die Leute, die sich für solche Programme entscheiden, machen ja trotzdem Sprachkurse. Ich habe viele Leute in Taiwan getroffen, die z.B. Maschinenbau, Physik oder Biologie studiert haben. An deren Unis gab es teilweise keine Chinesischkurse, oder nur solche Nebenbei-Kurse (was man dort lernt ist ja praktisch nichts). Selbst bei starkem Interesse wäre es denen einfach unmöglich gewesen, vor ihrem Aufenthalt anständig Chinesisch zu üben. Und trotzdem haben die fleißig während des Austauschstudiums Chinesisch gelernt. Vielleicht sind das dann ja genau die Leute, die von dem Land später interessiert sind, dass sie die Sprachkenntnisse noch weiter im Selbststudium vertiefen, oder dass sie Kontakte vor Ort geknüpft haben und dies dann später im Berufsleben nutzen.
Klar, viele Leute gehen nur wegen der Party und interessieren sich nicht für die Sprache. Ich würde das aber nicht auf alle Leute verallgemeinern.
Und auch wenn ich es nicht 100%-ig super finde, dass immer mehr Vorlesungen auf Englisch gehalten wurde (Mein Masterstudium war auch plötzlich stark Englisch geprägt), finde ich das rückblickend gar nicht so schlecht. Man kann mir sagen was man will, vielen Leuten (mir inklusive) tut die Übung einfach gut. Klar ist es ein wenig albern wenn man mit 100% anderen Deutschen auf Englisch redet, aber mal eine Seminararbeit oder sogar die Masterarbeit auf Englisch zu schreiben hat wirklich einen unglaublichen Trainingseffekt.
(30.06.14 19:02)Woa de Lodela schrieb: Ich habe übrigens schon Japaner getroffen, die sehr gut Englisch konnten. Einer war erst 20 und total super in Englisch, obwohl er nie im Ausland war. Er war Medizinstudent an einer der Top-Unis (nicht an der Todai allerdings, das hatte er nicht geschafft). Eine andere war eh sprachaffin und konnte auch fließend Französisch. Ein weiterer hatte zwei Jahre in den USA gelebt und konnte sich dementsprechend auch gut auf Englisch unterhalten. Die anderen konnten allerdings ÜBERHAUPT GAR NICHT Englisch. Also wirklich auch keine einfachsten Sätze, und ich denke, das ist die Norm.
Meine Rede. Es gibt einige Japaner die können wohl wirklich gut Englisch, aber wenn sie das nicht üben (und kein Interesse hat), verlernen sie das wohl ganz schnell wieder. Ist wahrscheinlich so eine Situation wie bei uns mit Französisch: Entweder kann man es, oder man hat schon alles wieder vergessen.