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Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
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MM


Beiträge: 174
Beitrag #1
Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
Leider gibt es kein Unterforum "Gesellschaft & Wirtschaft", so poste ich mal hier.
Ich habe mir ein paar Gedanken über die Arbeitseffizienz, Vergleich Japan / Deutschland" gemacht und habe leider keine brauchbaren Quellen gefunden, die mir einigermaßen eine Antwort auf diese Frage geben.
Meine fundierten Kenntnisse sind leider begrenzt, deshalb hoffe ich, dass jemand mit fundierten Infos ein bisschen Licht ins Dunkle bringen kann.

Zum Thema:

Meine Firma hat etliche japanische Firmenkunden. So bekomme ich quasi indirekt die Bestätigung dafür,
a) welche enorme Stundenzahl japanische Angestellte leisten
b) dass wesentlich mehr Angestellte für eine Firma vergleichbarer Größe in Japan arbeiten als in Deutschland

Durch meine Besuche in Japan konnte ich es auch live sehen:
In jedem Shop, wo man in Deutschland meist hoffnungslos nach einem Verkäufer sucht (weil entweder keine da sind oder sie lediglich im Lager herumgammeln), wuseln in Japan überall welche herum. Service pur.

Nun meine Frage, die ich mir nicht ganz zufriedenstellend beantworten kann:
Warum ist Deutschlands Wirtschaftskraft etwa genauso groß (BIP 37.000 €/Einw.), wenn Japaner (grob gesagt) mit doppelt so vielen Leuten und dazu doppelt so lange arbeiten und wahrscheinlich dabei nur halb so lange in der Kaffeeküche herumgammeln?
14.12.07 00:06
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system


Beiträge: 85
Beitrag #2
RE: Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
Zitat:Warum ist Deutschlands Wirtschaftskraft etwa genauso groß (BIP 37.000 €/Einw.),
Das beantwortest du dir doch zum Teil schon selbst.

Zitat:b) dass wesentlich mehr Angestellte für eine Firma vergleichbarer Größe in Japan arbeiten als in Deutschland
Das ist ein Grund. Offensichtlich arbeiten Japaner weniger effektiv, wenn man mehr von ihnen benötigt um die selbe Arbeit zu erledigen. Bei uns können mehr Menschen sinnvoll arbeiten, weil niemand durch unnötige Tätigkeiten wie Service blockiert wird.

Auch verursacht die Masse wieder einen zusätzlichen Aufwand. Eine Firma mit wenigen Mitarbeitern ist einfacher zu leiten als eine mit vielen. Auch findet man schwer gute Fachkräfte. Je mehr Leute man einstellt, desto höher ist die Chance, das ein schwarzes Schaf darunter ist.

Zitat:a) welche enorme Stundenzahl japanische Angestellte leisten
Das ist ein zweiter Grund, wieso dort weniger effizient gearbeitet wird. Statt in wenig Zeit sehr fokussiert zu arbeiten, sitzen die Leute bis zum Abend "ängstlich" herum, weil keiner sich traut vor dem Chef zu gehen.

Damit das Däumchen drehen wie Arbeit aussieht, entwickeln die Leute Möglichkeiten sich Arbeit zu schaffen. Da werden dann Akten sortiert und anderer Quark. Irgendwann kommt es einen dann ganz normal vor sich den ganzen Tag mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen und wichtige Dinge bleiben länger liegen.

Das ist wie bei den Arbeitslosen, die sich ans Nichtstun gewöhnen, so kann man sich als wie wild Arbeitender auch ans Arbeiten gewöhnen. Man sollte Arbeit aber nicht der Arbeit wegen verrichten, sondern um damit etwas zu erreichen (Märkte erweitern, Profite steigern, neue Produkte entwickeln, usw).

Diese merkwürdige Arbeitsmoral merkt man auch im Schulsystem: Da büffeln Leute etwa knallhart für ihre Englischprüfungen, aber können nicht mal ein Glas Milch bestellen oder fragen, wo die nächste Post ist.

Nach der Arbeit geht man sich dann oft noch eine Runde betrinken, meist findet sogar erst hier ein Teil der Arbeit (Verhandlungen, etc) statt. Oft gibt es dann noch lange Wege zur Arbeit, so dass die Leute morgens in der Bahn pennen. Der Körper gewöhnt sich an diesen unnatürlichen Rhythmus, d.h. man merkt die eigene Müdigkeit nicht mehr, aber man arbeitet sicherlich nicht mit voller Kraft, besonders wenn diese Arbeitsweise über Jahre durchgeführt wird.

Der Familie kommt das ja auch nicht zu gute, wenn etwa der Herr Papa nie da ist. Das soziale Probleme auch in die Arbeitsleistung mit hineinspielen, sollte ja offensichtlich sein. Auch heute scheint es da ja noch leichte Identitätsprobleme zu geben, wenn man sieht wie viel Quatsch dem Westen (sprich der USA) nachgemacht wird.

Zitat:In jedem Shop, wo man in Deutschland meist hoffnungslos nach einem Verkäufer sucht (weil entweder keine da sind oder sie lediglich im Lager herumgammeln), wuseln in Japan überall welche herum. Service pur.
Kosten ohne echten Nutzen. Wir Deutschen scheinen eben spartanischer auszukommen und daher haben wir eben dann auch gleich viel zum ausgeben, obwohl wir mehr Urlaub haben. Durch Service steigert man eben seine Wirtschaftskraft nicht.

Ansonsten ist natürlich die Insellage von Japan für die Wirtschaft sicherlich ungünstig, weil das die Transporte verteuert. Die unterschiedliche Kultur und Sprache ist natürlich auch ein Problem. Die anderen Wirtschaftsmächte kommen eben nicht aus Asien und da läuft eben vieles anders. Nun, Wirtschaft ist leider ein komplex und schwer zu überschauendes Thema und da die Japaner auf meine Anweisung nicht mal ein Jahr alles anders machen, um zu sehen, ob es dann besser oder schlechter läuft, ist dann doch schwer zu sagen, woran es nun genau liegt.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.12.07 08:56 von system.)
14.12.07 08:46
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Korosuke


Beiträge: 55
Beitrag #3
RE: Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
Was Du bei Deiner Betrachtung des BIP vergessen hast, ist der große Einfluß den Wechelkurse auf diese Größe haben.
Betrachten wir das nominale BIP Deutschlands in 2006 in US Dollar: ~37.000 pro Kopf. Das heißt pro Kopf und umgerechnet in unsere Währungsgröße den Euro (~1 EUR = 1,46 USD) verfügt ein Deutscher nur über ein BIP von rund 25.300 Euro.

--> Nicht einfach in Wikipedia Dollar als Euro lesen, das führt zu faschen Angaben und extrem falschen Ergebnissen!!!

Weiterhin solltest Du beachten wie schwach sich der Yen gegenüber Euro und Dollar in den letzten Jahren entwickelt hat. Dies hat alles Auswirkungen darauf wie hoch ein BIP nach außen hin in einer anderen Währungseinheit erscheint.

Fazit davon: ein Japaner arbeitet mehr als ein deutscher und gewichtet zu den langjährigen Durchschnittswechelskursen (nach innen blieb die Kaufkraft des Yen gleich) erwirtschaftet ein Japaner etwa 33.500 Euro BIP pro Kopf.

Jetzt gestalten sich die zuvor getroffenen Annahmen ganz anders, oder?
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 14.12.07 13:25 von Korosuke.)
14.12.07 11:46
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frostschutz
Technik

Beiträge: 1.783
Beitrag #4
RE: Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
Bleibt noch die Frage wie sehr man sich auf solche Statistiken überhaupt verlassen sollte:
http://www.nytimes.com/2007/12/09/opinion/09sun4.html

Lernen ist wie Rudern gegen den Strom. Sobald man aufhört, treibt man zurück.
14.12.07 13:54
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Korosuke


Beiträge: 55
Beitrag #5
RE: Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
@ frostschutz:

genau das beschriebene Problem (PPP oder purchasing power parity) umgehen wir, wenn wir das nominale BIP nutzen...
14.12.07 16:12
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MM


Beiträge: 174
Beitrag #6
RE: Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
Die Ausführung von "system" decken sich im Wesentlichen mit meinen Beobachtungen und anderem "Hörensagen", eine wirklich wissenschaftliche Quelle ist wahrscheinlich irgendwo in einer Doktorarbeit verbuddelt, es reicht allerdings, was diverse unabhängige Quellen berichten und die eigene Haut erlebt.

"korosuke" hat Recht. Ich habe mich verpeilt. zunge

Davon abgesehen habe ich noch eine andere Quelle über das BSP gefunden (International Monetary Fund). Daraus ergibt sich ein Pro-Kopf-BSP von 34.274 zu 35.430 (US$ Japan / Deutschland). Kann man vielleicht als "einigermaßen gleich" durchgehen lassen.

Jetzt könnte man die Zahlen noch mit den Faktoren
"Kaufkraft", "Service-Orientierung" und anderem gewichten. Das Ergebnis würde aber so oder so wohl sehr offensichtlich die mangelnde Arbeits-Effizienz der Japaner ausweisen.

Wenn dem so ist, würde sich anschließend die Frage aufdrängen, ob es den Japanern selbst bewusst ist und inwiefern sie die Absicht haben, dies zu ändern....

Gibt es (falls jemand in diesem Bereich studiert oder arbeitet) Literatur zu diesem Thema?
15.12.07 21:01
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Korosuke


Beiträge: 55
Beitrag #7
RE: Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
(15.12.07 21:01)MM schrieb:Davon abgesehen habe ich noch eine andere Quelle über das BSP gefunden (International Monetary Fund). Daraus ergibt sich ein Pro-Kopf-BSP von 34.274 zu 35.430 (US$ Japan / Deutschland). Kann man vielleicht als "einigermaßen gleich" durchgehen lassen.

Sicherlich hast Du wahrscheinlich recht, dass es einem Japaner nicht gelingt mit einer zusätzlichen Stunde Arbeit soviel zusätzliches BSP oder BIP zu erwirtschaften wie einem Deutschen. Das erklärt sich allein durch die abnehmende Produktivität der Arbeit (Mikroökonomie lässt grüßen zwinker )

Leider sind die von Dir geposteten BSP Zahlen von Japan und Deutschland in USD angegeben und dadurch wieder missverständlich.

Das erklärt sich folgendermaßen:

Die Schwäche des USD gegenüber dem EUR in den letzten Jahren "inflationiert" sozusagen das deutsche BSP oder BIP, wenn man es in USD ausweist.

Da nun zusätzlich der JPY gegenüber dem USD und EUR in den letzten Jahren schwach war hat das deutsche BSP/ BIP pro Kopf auf dem Papier gegenüber dem japanischen aufgeholt.

Bei einem solchen Vergleich empfiehlt es sich eher mit den langfristigen Durchschnittswechselkursen zu rechnen. Betrachtet man daraufhin die Unterschiede des deutschen und japanischen BSP oder BIP pro Kopf, so wird man als Ergebnis erhalten,
dass ein Japaner etwa ein Drittel mehr pro Kopf erwirtschaftet als ein Deutscher.
Siehe auch die Zahlen zum BIP in meinem vorherigen Post.

Was lernen wir daraus? Wer nicht viel arbeitet wird auch nicht so viel verdienen wie andere - 35 Stunden Woche lässt grüßen... zunge
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 15.12.07 21:44 von Korosuke.)
15.12.07 21:41
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Lori


Beiträge: 533
Beitrag #8
RE: Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
(14.12.07 08:46)system schrieb:Kosten ohne echten Nutzen. Wir Deutschen scheinen eben spartanischer auszukommen und daher haben wir eben dann auch gleich viel zum ausgeben, obwohl wir mehr Urlaub haben. Durch Service steigert man eben seine Wirtschaftskraft nicht.

Andersherum kann man argumentieren, dass die japanische Arbeitslosenquote (auch) deshalb so niedrig ist, weil der Servicesektor viele Arbeitskraefte bindet.

Ich persoenlich finde den Service in Deutschland im Vergleich zu Japan und Amerika einfach nur erbaermlich. Und wir muessen uns wirklich fragen lassen: Ist Effizienz soviel wichtiger als das Wohlfuehlen im Alltag? Und Service in Japan bringt zumindest mir tatsaechlich ein Wohlgefuehl.


Was die Arbeitseffektivitaet angeht habe ich mal einen Kurs besucht in dem wir Angaben zur Produktivitaet / Std gelesen haben. Da war die Platzierung wie folgt: Deutschland, Japan, Amerika, Frankreich. Wobei der Abstand zwischen Deutschland und Japan nicht sehr gross war, aber danach der zwischen Japan und Amerika sehr wohl.
Generell ist das mit der Produktivitaet eine verzwickte Sache, die von Wechselkursen, Steuern, Investitionen etc. stark beeinflusst wird.
Meine voellig subjektive Meinung dazu lautet: In Japan arbeitet man TENDENZIELL eher weniger produktiv (aus schon beschriebenen Gruenden, wie dem "nicht vor dem Chef heimgehen), aber es kommt wirklich auf die Firma an. Ich habe in Japan schon in einigen Firmen gearbeitet und manche waren echte "Sweatshops" andere wie oben beschrieben.

MfG
Lori

http://japanbeobachtungen.wordpress.com

(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 19.12.07 09:04 von Lori.)
19.12.07 09:03
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shinobi


Beiträge: 920
Beitrag #9
RE: Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
(19.12.07 09:03)Lori schrieb:
(14.12.07 08:46)system schrieb:Ich persoenlich finde den Service in Deutschland im Vergleich zu Japan und Amerika einfach nur erbaermlich.
findest du nicht nur, er ist es auch. grr

Zitat:Und wir muessen uns wirklich fragen lassen: Ist Effizienz soviel wichtiger als das Wohlfuehlen im Alltag? Und Service in Japan bringt zumindest mir tatsaechlich ein Wohlgefuehl.

Effizienz ist wichtiger.
Für die, die etwas zu sagen haben, nämlich Ackermann und Co.
Service bringt keine unmittelbare Rendite und bei unserem verschärften System pro Shareholder-Value.
Das System ist leistungs- und konkurrenzfähig und service-orientiert nur da, wo nötig.
Es beschwerern sich eben nur wenige, also muss man keine Konsequenzen ziehen und besser werden (servicetechnisch).

Der Unterschied von hier zu Japan ist vielleicht am Wort "Ehre" festzumachen:
Eher, für eine Firma zu arbeiten, für sie einzustehen und den Kunden hoch zu halten. Mich würde interessieren, ob bei einer Reklamation irgendein Japaner "das ist nicht meine Schuld" sagt... hier hört man es ständig.

Mal sehen, wie sich das in Zukunft entwickelt, wenn die Masse der Japaner Individualität und Egoismus entdeckt...
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 20.12.07 00:41 von shinobi.)
20.12.07 00:40
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Benn


Beiträge: 336
Beitrag #10
RE: Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
Service ist in eigentlich allen Sparten ein wichtiger Wettbewerbsfaktor und auch deutsche Unternehmen entdecken selbigen zunehmend.
Anders als Shinobi sagt hat der Service einen nicht zu missachtenden unmittelbaren Einfluss auf die Rendite eines Unternehmens, je teurer und technischer ein Produkt (besonders Elektronik und Kfz im Endverbrauchermarkt) ist, desto mehr Service ist gefragt und Leute entscheiden oftmals wegen der sich aus einem guten Service ergebenden Sicherheit. Auf diese Weise kann ein Unternehmen seine Unternehmensrente hochschrauben, weil die Zahlungsbereitschaft eines Kunden abhängig vom sachlichen Markt auch mit dem Service proportional zunimmt.

Äh ja... grins
Dass das in Deutschland so langsam durchsickert ist echt ein Drama, oft ist der Service nämlich der einzige Wettbewerbsfaktor, wenn Waren oder Dienstleistungen bei fast allen Anbietern gleichviel kosten, das Preisfenster also voll ausgereizt ist.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 20.12.07 11:12 von Benn.)
20.12.07 11:11
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Arbeitseffizienz Japan / Deutschland
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