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Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
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Lara


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Beitrag #1
Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
Ich habe jetzt zum 2. Mal mit einem Japaner gesprochen, der mir, wie der erste folgendes sagte:

1. Es ist relativ schwierig, in eine (renomierte) Universität einzutreten.
(OK, das habe ich auch mehrfach gelesen).

2. Das Studium ist relativ locker (im Gegensatz zu Deutschland) und nur eine absolute Voll-Pfeife schafft seinen Abschluss nicht (ditto).

3. Was jemand letztendlich studiert hat, ist egal. So lange er auf der richtigen Uni war, wird er keine großen Probleme haben, einen guten Job zu bekommen.

Meine Frage ist zweigeteilt:
1. Ist das grob gesagt "korrekt" ?
2. Wenn ja: Wie kann eine Volkswirtschaft mit solch einer merkwürdigen Bildungs- / Unternehmenspolitik überleben?
28.03.10 18:46
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L4D


Beiträge: 385
Beitrag #2
RE: Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
Das ist eine grobe Verallgemeinerung, jedoch nicht ohne einen Funken Wahrheit.

Wie schwer es ist, auf einer japanischen Uni einen Abschluss zu machen kann ich nicht beurteilen, die Behauptung, dass der Job hinterher bei einer guten Uni "geschenkt" wäre, ist aber stark übertrieben.

Ein Grund sind die Aufnahmeprüfungen der Konzerne. Das ist schon ein beeindruckendes Bild, wenn hunderte Bewerber gemeinsam im Anzug in den großen Hallen der Firmenzentralen eine Prüfung und psychologischen Test ablegen. Bei namhaften Konzernen kommen so locker fünfzig oder gar hundert Bewerber auf eine Stelle, gegen die man sich erstmal durchsetzen muss.

Ein weiterer Grund sind die ausgiebigen Bewerbungsgespräche. Das sind bei den meisten Firmen mindestens drei Stück, in denen in erster Linie auf Persönlichkeit, Motivation und Manieren geachtet wird.

Der Bewerbungsprozess (shuushokukatsudou 就職活動) dauert jedenfalls mehrere Monate, bei engagierten Studenten sogar über ein halbes Jahr (immer Herbst bis Frühsommer) und ist mit hohen Kosten, Anstrengungen und psychologischen Belastungen verbunden. Dank der Wirtschaftskrise stehen am Ende der Periode immer mehr Studenten ohne Arbeitsplatz da. (2009 waren es glaube ich 20 Prozent.)

Als Student einer bekannten Uni hat man selbstverständlich einen großen Vorteil, von geschenkt kann aber nicht die Rede sein.
29.03.10 06:10
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irgendwer


Beiträge: 198
Beitrag #3
RE: Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
es kommt sehr stark auf Fachrichtung, Universität und ob Graduate oder Undergraduatelevel an.
In Bezug auf Naturwissenschaften kann ich das so nicht bestätigen.

Es gibt allerdings auch viele private "Universitäten", die den Namen nicht wert sind und vielleicht auf dem Niveau einer deutschen Berufsschule liegen.

Insgesamt jedoch, das ist mein beschränkter Einblick, ist die Qualität der _Lehre_ durchgehend relativ schlecht...
29.03.10 07:57
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Zipit
Gast

 
Beitrag #4
RE: Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
(28.03.10 18:46)Lara schrieb:  ...

2. Das Studium ist relativ locker (im Gegensatz zu Deutschland) und nur eine absolute Voll-Pfeife schafft seinen Abschluss nicht (ditto).

...

Im Gegensatz?! Tut mir ja Leid, aber der Abschluss in Deutschland wird einem auch hinterher geworfen.
29.03.10 08:07
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Lara


Beiträge: 65
Beitrag #5
RE: Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
(29.03.10 06:10)L4D schrieb:  Ein Grund sind die Aufnahmeprüfungen der Konzerne.

Wird da auch fachliches gefragt ?
Bewirbt man sich eigentlich bei einer Firma generell oder auf eine "ausgeschriebene" Stelle (Fachbereich, Marketing, Buchhaltung, z.B.)

Zitat:Das ist schon ein beeindruckendes Bild, wenn hunderte Bewerber gemeinsam im Anzug in den großen Hallen der Firmenzentralen eine Prüfung und psychologischen Test ablegen.

Zitat:[...] in denen in erster Linie auf Persönlichkeit, Motivation und Manieren geachtet wird.

Also ob man sich bedingungslos unterordnen kann, etc. ?

(29.03.10 07:57)irgendwer schrieb:  Es gibt allerdings auch viele private "Universitäten", die den Namen nicht wert sind und vielleicht auf dem Niveau einer deutschen Berufsschule liegen.

Insgesamt jedoch, das ist mein beschränkter Einblick, ist die Qualität der _Lehre_ durchgehend relativ schlecht...

Sind das die sogenannten 短期大学, also Kurzzeit-Unis?
Mit der deutschen Berufsschule schwer zu vergleichen, da es hier ja auch etwa zu 50% Ausbildung im Unternehmen gibt, dort aber meines Wissens nicht.

Was meinst du mit Lehre ?
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.03.10 10:58 von Lara.)
29.03.10 10:51
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L4D


Beiträge: 385
Beitrag #6
RE: Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
(29.03.10 10:51)Lara schrieb:  Wird da auch fachliches gefragt ?
Bewirbt man sich eigentlich bei einer Firma generell oder auf eine "ausgeschriebene" Stelle (Fachbereich, Marketing, Buchhaltung, z.B.)
Man bewirbt sich in der Regel erst mal generell bei einer Firma und entscheidet sich im Verlauf des Verfahrens für den entsprechenden Fachbereich. Manchmal wird das von der Firma aber auch selbst beschlossen. Ausnahmen sind natürliche Tätigkeiten für Spezialisten also Anwälte, Ingenieure etc.

Der Inhalt der Prüfung ist nicht fachlich abhängig. Oft wird Mathe aus der Mittelstufe, Textverständnis, Kanji, Allgemeinwissen und Englisch abgefragt. Manchmal wenden die Firmen auch schlicht Intelligenztests an. Das hört sich ganz harmlos an, aber das Zeitlimit ist sehr, sehr knapp bemessen.
Hier sind ein paar Beispielaufgaben:
http://saisokuspi.com/higengo/sonneki_reidai/ (SPI2)
http://www.hatikai.info/cab-4.htm (CAB)

Japanische Firmen achten beim Einstellungsprozess tendenziell eher auf Potential und Persönlichkeit der Bewerber anstatt auf bestehende Fähigkeiten, wobei die natürlich auch einen großen Vorteil darstellen können.
Zitat:Also ob man sich bedingungslos unterordnen kann, etc. ?
Das würde ich nicht so negativ ausdrücken. Eher, ob man in die Firma passt, ob man motiviert ist und, ganz wichtig, ob man sympathisch ist. Die durchschnittliche Anstellungszeit ist in japanischen Firmen immer noch wesentlich länger als "im Westen". D.h. die Chancen stehen nicht schlecht, dass man mit dem Betreffenden 20, 30 Jahre zusammenarbeitet, wenn man ihn einstellt, deshalb wird ein besonderer Wert auf die Chemie gelegt.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 29.03.10 14:18 von L4D.)
29.03.10 12:00
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MM


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Beitrag #7
RE: Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
(29.03.10 12:00)L4D schrieb:  Manchmal wenden die Firmen auch schlicht Intelligenztests an. Das hört sich ganz harmlos an, aber das Zeitlimit ist sehr, sehr knapp bemessen.

Wer deutsche Assessment-Center kennt, weiß wie "spaßig" das ist ...

Zitat:Das würde ich nicht so negativ ausdrücken. Eher, ob man in die Firma passt, ob man motiviert ist und, ganz wichtig, ob man sympathisch ist. Die durchschnittliche Anstellungszeit ist in japanischen Firmen immer noch wesentlich länger als "im Westen". D.h. die Chancen stehen nicht schlecht, dass man mit dem Betreffenden 20, 30 Jahre zusammenarbeitet, wenn man ihn einstellt, deshalb wird ein besonderer Wert auf die Chemie gelegt.

Hört sich jetzt ein bisschen so an, als wäre dir das System sympathisch ... ;-)
29.03.10 22:23
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tlnn


Beiträge: 169
Beitrag #8
RE: Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
(29.03.10 22:23)MM schrieb:  Hört sich jetzt ein bisschen so an, als wäre dir das System sympathisch ... ;-)

Du meinst im Vergleich zum Westen, wo Leute reingesetzt werden, die absolut nicht ins Team passen, mit denen, oder für die man dann höchstens 1-2 Jahre arbeitet? zwinker
29.03.10 23:36
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MM


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Beitrag #9
RE: Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
(29.03.10 23:36)tlnn schrieb:  
(29.03.10 22:23)MM schrieb:  Hört sich jetzt ein bisschen so an, als wäre dir das System sympathisch ... ;-)

Du meinst im Vergleich zum Westen, wo Leute reingesetzt werden, die absolut nicht ins Team passen, mit denen, oder für die man dann höchstens 1-2 Jahre arbeitet? zwinker

Ich weiß jetzt nicht wie alt die meisten hier sind, oder in welcher Welt sie leben, aber ins Team passt der, der etwas kann und nicht, wer blöd grinsend herumhockte um nicht negativ aufzufallen.
Und die Könner sind doch oft Individualisten. Aber das ist doch gerade das Spannende und Interessante im Team.
Aber wohl wieder zu westlich gedacht ... ;-)
29.03.10 23:57
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L4D


Beiträge: 385
Beitrag #10
RE: Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
(29.03.10 22:23)MM schrieb:  Hört sich jetzt ein bisschen so an, als wäre dir das System sympathisch ... ;-)
Ich denke, es hat seine Vor- und Nachteile und finde deshalb, dass man es nicht von vorne herein komplett verdammen sollte.

Schließlich sind japanische Arbeitnehmer beim Berufseintritt noch vergleichsweise jung und durchlaufen meistens erst eine längere Phase als Trainee, bevor sie endgültig eingeteilt werden und einem Team mit Gegrinse zur Last fallen können. hoho

Außerdem sind japanische Konzerne bisher ja nicht nur schlecht mit der Personalpolitik gefahren. Bezeichnend ist da sicher Panasonics Motto "物をつくる前に人をつくる", also dass man zuerst seine Angestellten mit den notwendigen Fähigkeiten und einem entsprechenden Mindset beglückt, bevor man sich an die eigentlichen Produkte macht.

Aber ich bin noch Student, kann also nichts zu dem Arbeitsalltag hüben und drüben sagen. Ich wollte nur loswerden, dass es eine Übertreibung ist, zu behaupten, dass japanische Studenten berühmter Unis ihre Jobs "geschenkt" bekommen.
30.03.10 03:49
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Uni-Abschluss geschenkt - Job geschenkt
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