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Sprachgefuehl und Sprachregeln
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fuyutenshi


Beiträge: 887
Beitrag #1
Sprachgefuehl und Sprachregeln
Aufgrund der fuer mich interessanten Diskussion ueber die Luecke zwischen Sprachgefuehl und Regeln der Sprache habe ich einmal einen neuen Thread eroeffnet.
____


@boku
Zitat:@Bittfresser
Nochmal, nur zum Nachdenken.
Zitat:Mal ehrlich wenn dieses Argument zieht, dann stehen wir in 100 Jahren alle da und sprechen:
"Du uns Chickenburger her, weil ich Hunger"
Und was wuerden unsere Grossvaeter zur derzeitigen Deutschen Sprache sagen?
Sprache veraendert sich und ist letztendlich nur eine Festlegung wie aneinandergereihte Buchstaben, die gehaeuft Woerter genannt werden, zu verstehen sind.

Wer weiss, vielleicht sprechen wir in 100 Jahren so.
Die Generation die in dieser Zeit leben werden es als normal empfinden.

her furlaet in lante luttila sitten prut in bure,
barn unwahsan, arbeo laosa: her raet ostar hina.
des sid Detrihhe darba gistuontun fateres mines:
dat uuas so friuntlaos man.


Irgendetwas verstanden?
Das ist Deutsch, wie es vor ueber 1000 Jahren verwendet wurde.

Wie schrecklich die unkontrollierte Weiterentwicklung einer Sprache sein koennte ist wohl vom individuellen Geschmack abhaengig.

Seit der Zeit als der Mensch begann sich mit "uga-aga" verstaendlich zu machen bis vor ca 150 Jahren (?) hat sich die Sprache doch unkontrolliert entwickelt und trotzdem hat sich die Menschheit entwickelt und zivilisiert (?).

Heute hat jedes (?) Land zig Einrichtungen die unzaehlige Leute beschaeftigt deren Tun sich damit befasst an der jeweiligen Sprache herumzudoktorn und in Regeln zu pressen.

Die Frage klang bereits an:
Was ist richtig im Bezug auf einer Sprache? Das, was konform mit einem von Experten aufgestelltem Regelwerk ist oder was die Mehrzahl verwendet?
Laesst sich Sprache von Regeln in ein Korsett pressen?

Es gibt bestimmt einige Menschen, die z.B. dem Genitiv hinterhertrauern oder der Zunahme der Anglizismen (gerade in der japanischen Sprache mit wahnwitziger Geschwindigkeit!) mit Zweifel gegenueberstehen.

So steht jede Sprache im Zwiespalt zwischen der Anpassung an die Moderne und der Bewahrung der eigenen (Sprach-)kultur.
Ich kann es nicht genau beurteilen aber so scheint mir, als habe z.B. die Japanische Sprache weniger Bedeutungsverlust erlitten als die Deutsche die ja permanent im Einfluss anderer Kulturen stand.
Bei der Islaendischen Sprache z.B. weiss man es sehr genau weil durch den gesetzlichen "Purismus" es fuer jeden Islaender auch heute noch moeglich ist 1000 Jahre alte Texte problemlos zu lesen. Ich persoenlich wuerde dies als Pro fuer die Bewahrung von Kulturgut bewerten und bin ein wachsener Fan davon. Ich versuche soweit es geht Fremdwoerter zu vermeiden. Bei mir gibt es z.B. kein "テークアウト" beim McD sondern nur "持ち帰り".

Mit Sicherheit gehoert zur Bewahrung einer Sprache mehr dazu als diese per Gesetz zu steuern.
Es gehoert auch ein Wertegefuehl dazu und das baut sich doch meiner Meinung nach in Deutschland wie auch in Japan nach und nach ab indem Geld und Konsum sich immer staerker in den Vordergrund draengt und dadurch der "american way of life" (ich nenne den Trend einfach einmal so) seine englischen Schlagworte in die jeweiligen Sprachen pruegelt.
Etwas Gutes hat es auch: Zunehmende Internationalisierung hat auch etwas Pazifistisches. Wer sich versteht muss nicht aufeinander schiessen!

Um den Bogen zur Frage "sich" oder "uns" zurueckzuspannen: Die kleinen Irrlaeufer in der Orthografie und gesprochenen Sprache sind meines Erachtens kein wirkliches Problem.

Problematisch wird es erst wenn Verstaendigungsprobleme entstehen und das reguliert sich von selbst: Wer nicht verstanden wird bemueht sich das naechste Mal einfach mehr. So einfach ist das! Regeln werden einen Trend nur kurzfristig stoppen auch wenn man das bedauert.
Ich persoenlich finde es aber immer gut wenn man sich bemueht die eigene Kultur zu bewahren.

Ich habe etwas viel geschrieben. Sorry wenn sich jemand gelangweilt hat.

今や太陽はその光を覆い隠し、
世界は心地好い夜に身を委ねる。
柔らかな寝床へ、私も身を横たえる。
だが、私の魂はどこに、どこに休ませたら良いのか?
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 02.04.06 06:47 von fuyutenshi.)
02.04.06 06:46
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Boku


Beiträge: 288
Beitrag #2
RE: Sprachgefuehl und Sprachregeln
Zitat: Mit Sicherheit gehoert zur Bewahrung einer Sprache mehr dazu als diese per Gesetz zu steuern.
Es gehoert auch ein Wertegefuehl dazu und das baut sich doch meiner Meinung nach in Deutschland wie auch in Japan nach und nach ab indem Geld und Konsum sich immer staerker in den Vordergrund draengt und dadurch der "american way of life" (ich nenne den Trend einfach einmal so) seine englischen Schlagworte in die jeweiligen Sprachen pruegelt.
Yep, so ist es.
Etwas Gutes kann ich daran nicht finden, nur, verhindern scheint es sich auch nicht zu lassen.


Zitat: Etwas Gutes hat es auch: Zunehmende Internationalisierung hat auch etwas Pazifistisches. Wer sich versteht muss nicht aufeinander schiessen!
Waere schoen wenn es so waere.
Aber leider wuerde eine gemeinsame Sprache, sogar dann wenn alle Regeln und Woerter eindeutig waeren und sie auch jeder verinnerlicht haette, vermutlich nichts nuetzten.
(mehr im naechsten Absatz)

Zitat:Problematisch wird es erst wenn Verstaendigungsprobleme entstehen und das reguliert sich von selbst: Wer nicht verstanden wird bemueht sich das naechste Mal einfach mehr. So einfach ist das! Regeln werden einen Trend nur kurzfristig stoppen auch wenn man das bedauert.
.
Wenn sich durch eine klare Definition der Regeln und der Begriffe Verstaendigungsprobleme loesen lassen wuerden dann waere das nur zu Begruessen.
Ich persoenlich zweifle allerdings daran.
Nicht nur weil es diese Eindeutigkeit in der Praxis nie geben wird sondern auch weil die persoehnliche Wahrnehmung viel zu oft zu Missverstaendnissen fuehrt.
Zu viele Leute wollen mangels Tolleranz oder zuviel Egoismus nur das verstehen was in ihr Weltbild passt.
Wenn man sich in diesem Forum durch manche Threads liest, dann hat man oft das Gefuehl das manche Leute aneinander vorbeireden. (Aber das ist ja nicht nur in diesem Forum so).
Und das liegt nur selten an einer unkorrekten Wortwahl oder Formulierung.
Sehr oft habe ich das Gefuehlt das Voreingenommenheit die objektive Beurteilung und Beantwortung eines Posts verhindert.

Das Gehoerte oder Gelesene wird, bedingt durch die menschliche Natur Personen zu katigorisieren, ueber den internen Filter aufbereitet und mit Untertoenen belegt die sicher manchmal vorhanden sind, genausooft allerdings auch nicht.

Wenn also die persoehnliche Wahrnehmung das Verstaendniss von Woertern und Saetzen so stark veraendern kann, wie wichtig ist dann eine exakte Definition einer Sprache?

Gaebe es in einem Staat in dem alle Buerger ein gleich gutes, annaehernd perfektes Sprachverstaendniss haetten weniger Missverstaendnisse?
Sicherlich weniger, aber ob es den Aufwand wert waehre?

Ich persoehnlich habe den Eindruck das die noverbale (Mimik, Haende, Koerper, etc) Kommunikation weit besser funktioniert als verbale Kommunikation.
(etwas Menschenkenntnis vorausgesetzt).

OK, um jetzt nicht gleich wieder den grossen Aufschrei zu provozieren.
Obiges ist eher philosophisch gemeint.
Ich stimme "fuyutenshi" in fast allen Punkten zu.

Ohne moeglichst klare Regeln, die auch so lange wie moeglich bestand haben geht es nicht.
Die kleinen Irrlaeufer gehoeren zur Lebendigkeit einer Sprache.
Aber genau desshalb sind sie mindestens genauso wichtig wie die Kenntniss der "echten" Regeln.

Zitat: Ich persoenlich finde es aber immer gut wenn man sich bemueht die eigene Kultur zu bewahren.
Kann nur zustimmen.
Ich finde es allerdings auch schade das immer mehr Bayerische Woerter und Redewendungen verloren gehen.
Andererseits ist genau das noetig um eine homogene Deutsche Sprache zu bekommen.
Trotzdem, schad drum.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 02.04.06 13:33 von Boku.)
02.04.06 13:30
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Landei


Beiträge: 283
Beitrag #3
RE: Sprachgefuehl und Sprachregeln
her furlaet in lante luttila sitten prut in bure,
barn unwahsan, arbeo laosa: her raet ostar hina.
des sid Detrihhe darba gistuontun fateres mines:
dat uuas so friuntlaos man.

Ohne auf eine Übersetzung zu schielen (aber mit dem ungefähren Wissen, um was es geht), erkenne ich immerhin das hier:

Er lässt im Lande [luttila] sitzen die Braut [in bure - sicher nicht "im Büro", oder? :-D ]
[barn unwahsan], das Erbe verloren (?): er ritt(?) nach Osten hin
das Dietrichs [darba gistuontun] mein Vater (ist?):
Das war so ein freundloser (einsamer?) Mann

Das ist doch immerhin etwas. Und es gibt im Hildebrandslied auch einfachere Stellen, die man fast sofort versteht. Im Übrigen ist gerade dieser Text insofern problematisch, weil Verfasser und "Abschreiber" wohl ganz unterschiedliche Dialekte gehabt haben.

Wenn's einfach wär', könnt's jeder - 難しくなければ、誰もが出来る
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 08.03.07 09:24 von Landei.)
08.03.07 09:16
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