Ich dachte mir, dass es vielleicht eine gute Idee waere, wenn es einen Leitfaden zum Thema Japanologie-Studium gaebe. Also habe ich einen geschrieben
Vielleicht hilft er potentiellen Japanologie-Studenten ein wenig bei der Wahl ihres Studiums. Kritik und Anmerkungen nehme ich gerne entgegen.
Japanologie-Leitfaden v.1.
Japanologie – ein Leitfaden
Jedes Semester beginnen in Deutschland mehrere hundert, vielleicht tausend junge Menschen ein Japanologiestudium. Wohl die Wenigsten wissen, worauf sie sich da einlassen. Das Informationsmaterial der Universitäten ist meist beklagenswert allgemein gehalten und häufig einfach viel zu knapp. Ziel dieses kleinen Leitfadens soll es sein, Studienanfängern ein realistisches Bild des Japanologiestudiums zu vermitteln, BEVOR sie mit dem Studium beginnen.
Der Leitfaden baut vor allem auf meinen eigenen Erfahrungen als ehemaliger Japanologie-Student und nunmehr in Japan arbeitender Japnologe auf. Ich greife aber auch auf Berichte und Tipps von noch Studierenden und anderen Absolventen zurück.
Ich gehe im Leitfaden von einem Bachelorstudium aus.
1. Japanologie - was ist das überhaupt?
Wenn man im ersten Semester einmal seine Kommilitonen betrachtet, wird man feststellen, dass ein grosser Teil dieser Kommilitonen zur Manga/Anime Fraktion gehört und dies mehr oder weniger offen zeigen. Im schlimmsten Fall schimpfen sich diese Menschen selbst Otaku. Sei dem wie es sei, es ist nicht ausschlaggebend, ob man nun Animefan ist oder nicht. Was aber jedem, der Japanologie studieren möchte, klar sein sollte, ist, dass Japanologie sich vielerorts absolut nicht (z.B. HU Berlin) oder – wenn überhaupt - nur am Rande (z.B. Trier) mit Anime und Manga beschäftigt.
Japanologie umfasst ein breites Spektrum von Betrachtungen über Japan, dazu gehören japanische Geschichte, Theater, Literatur, Malerei, Wirtschaft ...
Die Definition, was denn nun eigentlich „Japanologie“ ist, ist dabei ziemlich umstritten. Ich denke, in der deutschen Realität kann man sie wohl am besten als Regionalwissenschaft beschreiben: Alle Dinge, die sich in Japan beobachten lassen, gehören auch zur Japanologie.
Wenn ihr also Japanologie studiert, werden eure Vorlesungen zum Beispiel Titel haben wie „Populärkultur in der Edo-Zeit“, „Geschichte des modernen Japan“, „Japans Wirtschaft nach dem zweiten Weltkrieg“ oder „Architektur der Meiji-Zeit“.
Ihr seht, es gibt hier wirklich ein breites Spektrum, was die Wahl der Uni sehr wichtig macht. Aber dazu später mehr.
Zum Thema: „Was ist Japanologie?“ und „Wo studiere ich am besten mein Interessengebiet?“ empfehle ich den „Grundriß der Japanologie“ und den Studienführer auf ***japan.de.
2. Japanologie - was muss ich können?
Japanologie ist eines der Fächer, die von Studenten in Spe chronisch unterschätzt werden. Ich habe es vorhin schon einmal geschrieben, aber ich kann es einfach nicht genug betonen: Japanologie ist NICHT lustig-buntes Anime gucken.
Ein Japanologe sollte sich bereits vor dem Studium gute bis sehr gute Englischkenntnisse aneignen - eine vier im Englisch-Grundkurs ist da einfach zu wenig. Warum? Weil fast die komplette Fachliteratur, die ihr im Laufe eures Studiums lesen werdet, in Englisch abgefasst ist. Außerdem: Falls ihr einen Auslandsaufenthalt absolviert, werden eure Kurse sehr wahrscheinlich vor allem in Englisch stattfinden.
Ansonsten ist nicht wirklich viel Vorwissen von Nöten (naja die deutsche Sprache solltet ihr schon beherrschen und ein klein wenig Allgemeinwissen kann auch nicht schaden). Nützliche Vorkenntnisse sind:
- Eine grobe Vorstellung davon, was „wissenschaftliches Arbeiten“ bedeutet.
- Eine ungefähre Idee von japanischer, koreanischer und chinesischer Geschichte.
- Japanisch-Vorkenntnisse (z.B. Beherrschung der „Kana“-Silbenschriften)
- Kenntnisse in europaeischer Geschichte / Geistesgeschichte
Dies sind alles Dinge, die euch auch während des Studiums vermittelt werden, aber es kann nicht schaden, auch vorher schon etwas zu wissen, in jedem Fall habt ihr dann weniger Stress im Studium.
3. Japanologie – warum eigentlich?
Fragt euch vor dem Studium einmal in Ruhe selbst: Warum möchte ich Japanologie studieren? Wenn eure Antwort nicht lautet: „Weil ich später einmal in Japan oder zumindest in einem Job mit Japanbezug arbeiten möchte.“, solltet ihr euch fragen, ob ihr nicht einen Fehler begeht. Japanologie ist kein Fach wie Wirtschafts-, oder Sozialwissenschaften mit dem man mehr oder weniger überall anfangen kann. Japanologie ist sehr, sehr spezifisch und es gibt nur wenige Jobs bei denen euch dieses Studium helfen wird. (Man kann natürlich auch nur zum Spass studieren, aber ich gehe mal davon aus, dass die Meisten ihr erworbenes Wissen auch gerne anwenden würden.)
Aber mehr noch. Wenn ihr die obige Antwort gegeben habt, solltet ihr euch auf Folgendes einstellen: Wer mit Japanologie Geld verdienen möchte, muss GUT sein, RICHTIG GUT. Es gibt nun einmal nur wenige Karrieremöglichkeiten für Japanologen und wenn ihr wollt, dass man gerade euch einstellt, solltet ihr auch etwas zu bieten haben. Daraus folgt dann fleissiges und ausdauerndes Lernen, sowohl der japanologischen Inhalte, als auch der japanischen Sprache, die Bereitschaft zu einem mindestens halbjährigen, besser ganzjährigen Auslandsaufenthalt und überhaupt die Bereitschaft sich ganz auf die Japanologie einzulassen.
Fragt euch also: Will ich das wirklich? Will ich wirklich ein Japanexperte werden?
4. Japanologie – vor dem Studium
Die Bedeutung der Studienplatzwahl kann ich nicht genug betonen. Jede japanologische Fakultät hat ein spezifisches Profil, das euch liegen kann, oder eben nicht. Überlegt euch genau, welches Fachgebiet und welche Fakultät euch liegt. Wer sich zum Beispiel für Japans Wirtschaft interessiert, wird an der Humboldt Universität wohl nicht glücklich werden, da deren Schwerpunkt auf Geschichte und Literatur liegt.
Euer Fachgebiet ist wirklich sehr wichtig. Nicht nur für eure Vorlesungen sondern auch für die Betreuung eurer Haus- und Bachelorarbeiten. Wenn ihr an eurer Fakultät nur Experten für Manieren der Edo-Zeit habt, aber gerne zum Thema „Japans Armee, die keine Armee ist“ forschen wollt, habt ihr ein Problem.
Deshalb wählt eure Uni mit Bedacht aus. Alle Universitäten haben zu ihrem Profil Vorstellungen, die ihr euch unbedingt ansehen solltet. Schaut euch ausserdem auch unbedingt das Personal dort an: Welche Forschungsschwerpunkte haben die Dozenten und Professoren (steht meist in deren Kurzvorstellung) und gibt es auf absehbare Zeit auch genug von Ihnen? Japanologien haben meist eine sehr dünne Personaldecke und hängen oft an nur einer Professur. Wenn euer Professor dann während eurer Professur emeritiert oder anderweitig abwesend ist, kann es schon vorkommen, dass ihr ein oder mehrere Semester keinen Unterricht besuchen könnt oder im schlimmsten Fall sogar die Uni wechseln müsst.
Neben den Webauftritten der Unis möchte ich euch hier noch einmal den „Grundriß der Japanologie“ sowie das ***japan.de Forum ans Herz legen.
5. Japanologie – Studium
Das Japanologiestudium ist ziemlich zeitaufwändig und wenn ihr sie ernsthaft betreiben wollt (siehe Punkt 3), solltet ihr euch darauf einstellen pro Woche mindestens 40 Stunden für sie zu verwenden.
Der Zeitaufwand gestaltet sich dabei wie folgt:
(etwa die ersten vier Semester)
Lehrveranstaltungen: 10 – 20 Stunden pro Woche
Selbststudium (Sprache): 10 – 20 Stunden die Woche
Selbststudium (Japanologie): 5 – 10 Stunden die Woche
(etwa ab dem vierten Semester)
Lehrveranstaltungen: 10 – 20 Stunden pro Woche (vermutlich eher abnehmend)
Selbststudium (Sprache): 5 - 10 Stunden die Woche
Selbststudium (Japanologie): 10 – 15 Stunden die Woche
Das ist natürlich nur eine Annäherung, die je nach Charakter, Vorbildung, persönlichem Ergeiz, Lebensumständen etc.pp. stark schwanken kann. Euch sollte aber klar sein, dass ihr vor allem am Anfang sehr viel Japanisch lernen müsst. Speziell die Kanji (= Schriftzeichen), von denen ihr idealerweise innerhalb von drei Jahren knapp 2000 Stück aktiv beherrschen solltet, benötigen sehr viel Zeit und Energie.
Des Weiteren wird von euch erwartet, dass ihr einen längeren Auslandsaufenthalt in Japan absolviert. Ich möchte euch das auch sehr empfehlen. Die meisten Universitäten bieten dazu auch ausreichend Austauschplätze in Japan an und dank einer Reihe von Stipendien (vor allem Jasso) ist es auch finanziell durchaus machbar. Bei der Studienplatzwahl solltet ihr darauf achten auf eine „gute“ Uni in Japan zu kommen, im Undergraduate-Bereich wird man euch zwar selten direkt an die Tôdai, Kyôdai, Waseda oder Keio schicken, aber auch das soll vorkommen. Andere gute Unis sind zum Beispiel die Ritsumeikan, Hôsei, Chûô, Sophia und noch etliche mehr. Ranglisten finden sich im Internet. Das ist insofern wichtig, dass in Japan bei der Auswahl von Bewerbern auf einen Job auch darauf geachtet wird, an welcher japanischen Uni man sein Auslandsjahr gemacht hat.
Während des Auslandsjahres solltet ihr versuchen, so viel Japanisch wie nur irgend möglich zu sprechen. Wenn ihr gut genug seid, besucht unbedingt auch Japanische Vorlesungen. Generell werdet ihr in Japan weniger Stress haben als in Deutschland. Deshalb nutzt die Zeit um eventuelle Lücken in eurer japanologischen Ausbildung zu füllen. Insbesondere Schriftzeichen-lernen bietet sich hier an.
Was sind eure Ziele bei der ganzen Lernerei?
- Sprachlich auf jeden Fall mindestens JLPT2 (1000 Kanji 5000 Vokabeln, gute Beherrschung der Alltagssprache), besser JLPT1 (2000 Kanji, 10000 Vokabeln, sehr gute Beherrschung von Alltags-, und Schriftsprache).
- Japanologisch. Das lässt sich nicht ganz so einfach klassifizieren, aber ihr solltet während eures Studium mindestens 40 – 60 japanologische Werke gelesen (und verstanden) haben, sowie über ein umfangreiches Allgemeinwissen zum Thema Japan verfügen (Geschichte, Kultur, Wirtschaft, Politik, Literatur usw.). Zu den obengenannten Themen sollten euch z.B. auf jeden Fall „Sekigahara“, „Chikamatsu Monzaemon“, „Zaibatsu“, „Habatsu“ und „Matsuo Bashô“ ein Begriff sein. Ausserdem solltet ihr in ein oder zwei Themen (zum Beispiel die Themen eurer Haus-, und Bachelorarbeiten) wirklich fit sein.
5.1. Japanologie – Studium: Allgemeine Tipps
- Versucht so schnell wie möglich möglichst viele Japaner kennenzulernen. Das geht zum Beispiel über ein Sprachtandem oder über die Betreuung von Auslandsstudenten.
- Lernt regelmäßig. Speziell die Schriftzeichen verlangen sehr viel Ausdauer. Am besten ist, ihr lernt jeden Tag.
- Sucht euch leichte japanische Texte (Jugendliteratur) um flüssig lesen zu lernen.
- Versucht ab und zu einmal einen Artikel in einer japanischen Zeitung bzw. eine Nachrichtensendung im japanischen Fernsehen zu verstehen.
6. Japanologie – Karriere
Für eine Karriere später werden euch eure japanologischen Schwerpunkte vermutlich oft nicht so sehr helfen, aber es kann nicht schaden, auch bei den Forschungsschwerpunkten darauf zu schauen, ob man später etwas damit anfangen kann, wenn man z.B. in die Forschung oder an ein Museum gehen möchte. Übrigens: Die festen Stellen als Japanologen in der Forschung in Deutschland sind derart rar, dass ich euch nahelegen möchte, diese Idee für’s erste zu vergessen. Wenn überhaupt, dann werdet ihr eher in Japan oder Amerika eine anständige Position finden
Typische Japanologenberufe in Deutschland sind: Museumsführer / Kurator, Touristenführer, Übersetzer / Dolmetscher, Auslandskorrespondent in einer internationalen Firma.
Typische Berufe in Japan sind: Sprachlehrer (Englisch, selten Deutsch), Touristenführer, Übersetzer / Dolmetscher, Auslandskorrespondent (Zuständiger für internationale Angelegenheiten).
Bei fast allen Jobs in Japan wird man von euch verlangen, dass ihr neben Japanisch auch Englisch beherrscht. Mit Deutsch kann man in Japan nur sehr wenig anfangen.
Je nach Job kann euch auch ein klug gewähltes Neben-, bzw. Zweitfach sehr nützlich sein. Zum Beispiel Pädagogik / Germanistik / Anglistik-Amerikanistik für Lehrer, Journalismus für Auslandskorrespondenten, Archäologie für Kuratoren.
Wichtige Qualifikationen für einen Job als Japanologe in Japan sind:
- Abgeschlossenes Studium
- JLPT1
- TOEFL (geht auch ohne, kann aber auch sehr helfen)
- Evtl. Arbeitserfahrung und sonstige Referenzen
Fuer die spaetere Karriere ist ein gaengigeres Studium z.B. in Richtung Wirtschaft, Technik oder Naturwissenschaft sehr zu empfehlen.
7. Japanologie – Schlussbemerkung
Denkt dran: Japanologie ist kein Fach wie jedes andere. Ihr müsst Japanologie zu einem gewissen Grad leben und nicht einfach nur lernen, wenn ihr damit Karriere machen wollt. Sehr viele Japanologie-Studenten brechen das Studium ab, weil es ihnen zu anspruchsvoll ist (wir reden hier von 50 - 90% aller Studienanfänger, je nach Fakultät). Und auch ein grosser Teil der Japanologie-Absolventen hat nach dem Studium nichts mehr mit Japanologie zu tun. Nur die Allerwenigsten schließen das Studium ab und arbeiten danach im japanologischen Bereich bzw. in Japan.
Ausserdem solltet ihr euch klar sein, dass Arbeiten in Japan kein Spaß ist. Das Wort „Arbeiterrechte“ gibt es hier nicht. Überstunden, geringe Urlaubszeiten, moderate Bezahlung, harsche hierarchische Strukturen, Vorurteile und Diskriminierung von Ausländern ... machen das Arbeiten und Leben in Japan zum Teil sehr anstrengend.
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