Beitrag #1
"Japan" von Peter Spry-Leverton und Peter Kornicki, vgs-Verlag Köln
„Japan“ von Peter Spry-Leverton und Peter Kornicki ist zwar von 1989, aber Geschichte ist ohnehin schon alt, da machen 16 Jahre mehr nichts mehr aus. Das Buch ist sehr interessant und meist sogar spannend geschrieben, was bei einem Buch, das sich in solchem Umfang mit Geschichte beschäftigt, eine wahre Kunst ist. Spannend ist es durch den hervorragenden Schreibstil der Autoren, der gelegentlich auch die eigene Meinung durchblicken lässt, was mir auch bei anderen Büchern schon aufgefallen ist, wenn es um sehr kontroverse Themen geht. Oft bleibt der Autor da nicht mehr ganz neutral, was ich persönlich niemandem verübeln kann. In meinem eigenen Buch über Australien habe ich ebenfalls meine eigene Meinung dargestellt, und das was ich selbst schreibe, ist auch das was ich gern lese.
Besonders interessant ist dieses Buch durch den tiefen Einblick, den man in Kultur und Vergangenheit bekommt, vor allem aber in die Art und Weise, wie Ost und West miteinander umgingen, belegt durch Schriftstücke von beiden Seiten. Besonders deutlich wird der Zusammenprall zweier Kulturen, die unterschiedlicher kaum sein können, durch die folgenden Zitate:
„Männer und Frauen bewegten sich paarweise durch den Raum und schritten auf Zehenspitzen zum Klang der Musik. Es sah aus, als laufe eine Anzahl Mäuse ständig im Kreis herum. Es war geschmacklos und ohne Charme. Es war ganz amüsant zu beobachten, wie sich die Röcke der Damen ballonartig immer weiter aufblähten, während sie sich drehten. Anscheinend sind hohe Beamte und ältere Damen, aber auch junge Leute von diesem Zeitvertreib sehr angetan... Es ist jedoch recht merkwürdig, daß der Premierminister (!) den Botschafter eines fremden Landes zu einem Ereignis dieser Art einlädt. Mein Unmut ist grenzenlos: Kein Respekt vor Ordnung und Zeremoniell oder gesellschaftlichen Formen. Das einzige, das man zu ihrer Entschuldigung vorbringen könnte, wäre, daß das Fehlen jeder Förmlichkeit ihrem Gefühl der Freundschaft entspricht.“
„Die Japaner können sich leicht unser industrielles Wissen aneignen und lernen, wie unsere Maschinen funktionieren. Aber sie sind unfähig, unsere Geisteswissenschaften zu beherrschen, unsere höhere Mathematik, Recht und Philosophie. Und unsere analytischen Methoden werden ihnen solange unzugänglich sein, wie sie auf ihre eigene Sprache angewiesen sind... Sie können ohne Schwierigkeiten lernen, die gesamte materielle Seite unserer Zivilisation zu meistern; aber was das intellektuelle und moralische Rüstzeug betrifft, das die indogermanischen Rassen auszeichnet, so werden sie wegen ihres unzureichend geschulten Verstandes und einer Sprache, die unfähig ist, es begrifflich zu assimilieren, leer ausgehen müssen.“
Ziemlich widersprüchlich äußerte man sich über japanische Kunst und Ästhetik:
„Die Praktiker behaupten immer, daß es mit der englischen Kunst bergab gehe, aber selbst zu ihren schlimmsten Zeiten ist sie nie so billig, so kraftlos und so schmutzig gewesen wie die besten Werke der japanischen Kunst... Hunderte von Leuten haben Tausende von Pfund in ihrer Verblendung für dieses japanische Zeugs ausgegeben und waren froh, es für ein Ei und ein Butterbrot wieder loszuwerden, nachdem sie wieder klar denken konnten.“
In meinen Ohren klingt das eher nach einem dieser „typisch asiatischen“ Shops, die es damals aber meines Wissens nach noch nicht gab...
„Japanische Sauberkeit im Gegensatz zu chinesischem Schmutz; japanische Straßen im Gegensatz zu Chinas morastigen Wegen; japanische Akkuratesse und Ordnung im Gegensatz zu Chinas Dekadenz und Unordnung... Wenn neben einer japanischen Hütte auch nur ein schmaler Streifen Platz ist, findet man dort ein oder zwei winzige Sträucher, ein paar geschmackvoll angeordnete Kiesel und wahrscheinlich einen kleinen Springbrunnen; in China wäre dort ein Abfallhaufen.“
Einer der größten Unterschiede lag wohl in der Vorstellung von Moral. Wenn es um Moralvorstellungen geht, kennt das Christentum bekanntlich kein Pardon, so daß das Argument der völlig unterschiedlichen Lebensanschauung gar nicht in Betracht gezogen wurde:
„Eine ihrer schlechten Eigenschaften ist, daß sie sich in hohem Maß wollüstigen Gedanken und Sünden hingeben, was bei Heiden stets der Fall ist. Die Männer achten wenig darauf, wie sich ihre Frauen in dieser Hinsicht verhalten, denn sie vertrauen ihnen vollkommen. Andererseits dürfen sowohl der Ehemann wie die Verwandten eine Ehebrecherin und ihren Geliebten nach Belieben töten. Aber fast noch schlimmer ist, daß sie sich ungehemmt jener Sünde hingeben, über die man besser schweigt. Diese wird so leichtgenommen, daß Knaben wie Männer sich ihrer sogar rühmen und offen darüber reden, ohne den geringsten Versuch zu machen, die Sache zu vertuschen.“
Angesichts des folgenden Zitats habe ich mich gefragt, ob man von Menschen oder Insekten spricht:
"Angesichts der Menschen, die wir bisher getroffen haben, würde ich sagen, daß die Japaner die beste bis heute entdeckte Rasse sind, und ich glaube nicht, daß man sie mit den übrigen heidnischen Völkern auf eine Stufe stellen kann. Sie sind sehr gesellig, in der Regel gutmütig, wohlwollend und legen großen Wert auf ihre Ehre, die sie für das höchste aller Güter halten."
Eine fremde Sprache zu beherrschen knüpft ein Band zwischen den Menschen, das ohne dieses Wissen niemals existieren könnte.
www.edition-ginga.de
|