(14.10.15 15:38)Kikunosuke schrieb: .. An den besonders stark betroffenen Stellen mit Tsunamihoehen von 10 Metern und mehr wird der Boden enstprechend erhoeht. Wem so ein Schwachsinn eingefallen, was man macht wenn der naechste Tsunami 20 Meter hoch wird, wer da mal wieder hinziehen soll, darauf haben auch die Ortsansaessigen keine Antwort. Japanische Infrastrukturpolitik nach Art Tanaka Kakuei, mit dem Betonmischer alles zuschuetten und gut ists. ..
Sorry , aber das kann man pauschal wirklich nicht so stehen lassen. Nicht jede Aufschüttung ist Schwachsinn und nicht jedes Infrastrukturprojekt von korrupten Politikern gesteuert.
Ich habe mich selber genug über die Arroganz der zentralistischen Politik geärgert, die den Leuten z.b. an etlichen Orten sinnlos hohe Schutzwälle vor die Nasen bauen will und im Falle des Widerstand dagegen droht, dem Ort jegliche finanzielle Förderung zu entziehen.
Aber es gibt inzwischen etliche Orte, wo auf kommunaler Ebene tolle Arbeit geleistet und wirklich gut durchdachte neue Strukturen geschaffen werden. Geographisch bedingt, kann man auch nicht überall in höherer Lage bauen und wenn muss meist aufwendig terrassiert werden. Japan ist schließlich nur ein Gebirge, das aus dem Meer heraus schaut. ;-)
Als ein Beispiel will ich hier nur Rikuzentakata erwähnen, wo ich seit 2011 inzwischen als Freiwilliger erst bei den Aufräumarbeiten unmittelbar nach der Katastrophe, später bei versch. Wiederaufbauprojekten mehrfach mitgeholfen habe. Riku wurde vom Tsunami zu 80% zerstört und von den 20.000 Menschen, die im März 2011 hier lebten, starben über 1500 Menschen und die meisten leben, sofern sie nicht ganz weggezogen sind, auch 4 Jahre später immer noch in temporären Siedlungen.
Um den Ort wieder aufzubauen und vor zukünftigen Flutkatastrophen besser gewappnet zu sein, wird Rikuzentakata inzwischen auf der Grundlage eines neuen Flächennutzungsplanes vollständig verändert wieder aufgebaut.
Kernstück der neuen Stadtplanung ist es, reine Wohngebiete nur noch in höher gelegenen Lagen zuzulassen. Zugleich wird der besonders gefährdete, meeresnahe Bereich großflächig aufgeschüttet. Hinter dem von zuvor 5,5 auf 12,5 m zu erhöhenden Tsunami-Schutzwall soll eine ca. 500 m breite, 125 ha große Parklandschaft ("Tsunami-Memorial-Park") angelegt werden, die als potentielle Überschwemmungsfläche von jeder Bebauung freigehalten wird.
Dem Tsunami-Schutzdamm soll ein ca. 100m breiter baumbestandener Uferstreifen vorgelagert werden, um dem Bauwerk die Gewalt zu nehmen. Wie manche vielleicht wissen, war hier mal einer der schönsten Strände mit 70.000 Kiefern direkt hinter dem Strand. Von den 70.000 Kiefern hat eine, schwer geschädigt überlebt. Der Stand ist im Meer versunken, da sich der Boden ~1 Meter abgesenkt hat.
Die letzte Kiefer April 2014
Landeinwärts schließen sich dann erst Mischgebiete mit Handel, Gewerbe und Industrie an, die, mit ansteigender Geländehöhe, in reine Wohngebiete bzw. Gebiete mit öffentlichen Einrichtungen übergehen. Grob schematisiert sieht das dann so aus:
Als Ersatz für die in tieferen Lagen aufgegebenen Wohngebiete werden in den angrenzenden Hängen und Bergen der Stadt durch Geländeeinebnung überschwemmungssichere Bauplätze sowohl für neue Privathäuser als auch für den öffentlichen Wohnungsbau geschaffen. Zur Zeit wird dort gleichzeitig an etwa 150 Baustellen gearbeitet.
Zur Aufschüttung des unteren Teils von Rikuzentakata auf durchschnittlich 11 m über Meereshöhe wird dabei der Sand und Erdboden verwendet, der bei der Terrassierung neuen Baulandes in angrenzenden Hängen und Bergen anfällt. Material was also sowieso fortgeschafft werden muß, wird damit an anderer Stelle sinnvoll verwendet.
Da die notwendige Umlagerung von 5 Millionen m³, bei einem konventionellen Transport mit LKW ca. 9 Jahre gedauert hätten, hatte sich die Stadtverwaltung von Rikuzentakata zu einem anderen Weg entschlossen. Inspiriert von Techniken, die schon beim Bau des Kansei-Flughafens verwendet wurden, wurde ein großräumig Transportsystem angelegt, auf dessen Förderbändern der Erdaushub von angrenzenden Bergen in das aufzuschüttende, tiefer gelegene Gebiet befördert wurde.
Mit dem Bau des Förderbandsystems wurde Ende März 2014 begonnen. Als ich einen Monat später in Rikuzentakata war, war das Transportsystem schon auf einer Länge von mehr als 1 km ausgebaut und im Juli 2014 war mit 3 km der Endausbau 3 km erreicht.
Über mehrere Verteilerpunkte wurde der angelieferte Sand dann auf die verschiedene Teilflächen verteilt, dabei wurden auf den Förderbändern bis zu 100 Kubikmeter pro Minute bewegen. Insgesamt konnte die Umlagerungszeit gegenüber einem üblichen LKW-Transport von 9 Jahren auf 1,5 Jahre verkürzt werden, was in Anbetracht des Elends von Tausenden immer noch in temporären Siedlungen wohnenden Leuten ein großer Erfolg ist.
Seit ein paar Tagen sind alles Aufschüttungsarbeiten im unteren Teil von Riku abgeschlossen und die Förderbänder werden jetzt abgebaut.