Gestern habe ich mir eine sarkastische Bemerkung zum Thema Dan Brown und Buchfehler noch verkniffen, aber nach den zuletzt aufgelaufenen Apologien will ich jetzt doch ein bisschen dagegenhalten.
(28.02.15 09:15)Firithfenion schrieb: … so recherchiert er doch besser als mancher andere Unterhaltungsschriftsteller.
(28.02.15 09:36)Hellstorm schrieb: … kleinere Fehler …
Es gehört wohl zum Erfolgsrezept des Autors, dass er sehr gut suggerieren kann, besser informiert zu sein, als er ist. Tatsächlich knüpfen seine Schilderungen nur bemerkenswert sporadisch an die Realität an: hier ein realer Ort, dort der Name einer existierenden Institution, dazu historische und wissenschaftliche Schlagworte. Um diese vereinzelten Fakten herum konstriert er, ohne sein Vorstellungsvermögen durch tatsächliche Zusammenhänge weiter einschränken zu lassen, sehr gekonnt ein Gesamtbild, dass deutlich realer wirkt, als es ist.
Das funktioniert so lange sehr gut, wie die Leser es nicht besser wissen, und davon kann Brown offenbar in der Regel ausgehen, schon allein deshalb, weil er Orte und wissenschaftliche Disziplinen so bunt zusammenwürfelt. Wenn er sich aber doch in einem Bereich tummelt, in dem man sich ein bisschen auskennt, wirkt das sehr entzaubernd, stärker auch als bei anderen Schriftstellern.
(28.02.15 09:15)Firithfenion schrieb: Diabolus war wohl sein erster Roman und obwohl es allem in allem gut gelungen ist, hat er sich offenbar auch die Kritiken zu Herzen genommen und konnte sich in seinen folgenden Romanen dann deutlich steigern, besonders mit der Schaffung seines Protagonisten Robert Langdon.
Mein Referenzpunkt ist
Angels and Demons, deutsch:
Illuminati, ein Nach-
Diabolus-Roman mit Langdon. Das soll ernsthaft schon ein geläuterter Dan Brown gewesen sein, der sich „die Kritiken zu Herzen genommen“ hat?
Es geht ja nicht nur um den großen, plotrelevanten Unsinn wie etwa, dass das Forschungszentrum CERN, dem er nebenbei einen eigenen Stratosphärenjet andichtet, makroskopische Mengen von Antimaterie produziere und dass ein angehender Terrorist sie auch noch einfach in einem tragbaren Spezialbehälter entwenden könne. (CERN sah sich seinerzeit aufgrund zahlreicher Anfragen zu einer ausführlichen Gegendarstellung veranlasst.) Dass die „wissenschaftlichen“ Erklärungen zum Thema teils haarsträubend ausfallen, selbst wo sie reale Physik betreffen – geschenkt.
Besonders ernüchternd fand ich aber, dass sich das Primat der Fantasie bis zu mondänen und eigentlich vergleichsweise leicht recherchierbaren Umfeldinformationen hinunterzieht. So illustriert Brown seine Schilderungen mit Orts- und Gebäudebeschreibungen, bei denen jeder, der einmal dort war, sich nur verwirrt am Kopf kratzt. Gerade diese Nebensächlichkeiten tragen aber für den unbefangenen Leser viel zum scheinbar authentischen Gesamteindruck bei.
Ich gönne ja von Herzen jedem ein naives oder durch gut trainierte Fähigkeiten in der Disziplin
suspension of disbelief enttrübtes Lesevergnügen, da habe ich grundsätzlich selbst etwas Übung. Aber Ausdrücke wie „gut recherchiert“ oder „
kleine wissenschaftliche Fehler“ sind im Zusammenhang mit diesen Werken wirklich fehl am Platz.