(24.08.14 13:16)Kasu schrieb: Ich hatte bei meinen japanischen Japanischlehrern nicht das Gefühl, dass sie schlecht sind. Im Gegenteil, die, die ich in Japan hatte, haben Grammatik wirklich ganz ausführlich und bis ins kleinste Detail erklärt und da auch immer wieder ausgebessert. Nur bei der Aussprache nicht und das kann mit Sicherheit wirklich vom Fremdsprachenunterricht in Japan herrühren... Vielleicht ist denen da gar nicht so bewusst, dass es möglich ist, konkrete Hilfestellung zu geben und dass man bis zu einem gewissen Grad auch an der Aussprache arbeiten kann und das nichts naturgegebenes ist, wo man eh nix machen kann oder so.
Mir wurde zwar immer mal wieder gesagt, dass dieses und jenes falsch ist, z.B. dass ich mehr "flat" sprechen solle, aber an welchen Stellen ich da konkret etwas falsch gemacht habe oder was ich tun kann (z.B. konkrete Übungen), um das auszubessern, wurde mir leider nie erklärt. Bei einem Bekannten von mir war es zum Beispiel auch so, dass er das japanische "r" nicht aussprechen konnte und die Japanischlehrer haben das erst nach über einem Jahr(!) mal angemerkt. Im Unterricht in Deutschland war das bei uns etwas, das direkt in der ersten Woche schon mit konkreten Tipps ausgebügelt wurde (von der deutschen Lehrperson)...
Was die mindere Anleitung zur Verbesserung der Aussprache betrifft: könnte es vielleicht sein, dass da auch die konfuzianische Tradition in Japan ein wenig hineinspielt? Unser Lehrsystem in Deutschland und Europa ist ja sehr in Richtung auf Analyse verschult. Es werden Kausalzusammenhänge beschrieben und zur Korrektur herangezogen. In Phonetik und Phonologie werden Kopflängsschnitte für die Artikulation der verschiedenen Vokale und Konsonanten präsentiert, um die Lautbildung zu erklären und auch die grammatische Sprache lässt uns mit ihrer Terminologie wie "Nasale", "Labale", "Dentale", "Palatale", "Velare", "Uvulare", "Orale", "Dorsale", "Apikale", "Pharyngale", oder "Alveolare" vor dem inneren Auge die menschliche Schädelanatomie samt Sprechapparat nach guter aufklärerisch-medizinischer Weise regelrecht nachsezieren, wenn wir uns die Bildung eines Lautes vorstellen.
Als ich meinen ersten Termin beim Jiu Jitsu-Kampfsportkurs an der Uni (in Deutschland) hatte und nach dem misslungenen Nachmachen einer Schulterrolle nach einer Erklärung für die korrekte Bewegungsabfolge fragte (muss selbst schmunzeln, wenn ich dass nacherzähle), sagte der Lehrer streng zu mir: "Du bist jetzt in Japan, nicht in Deutschland. Beobachte und lerne selbst." Ich mag das mangels eigener Japankenntnisse mit einem stereotypen Bild von Japan fehlerhaft erklären, aber könnte das nicht im Hinterkopf auch bei Japanischlehrern noch eine Rolle spielen?
Ich selbst bemühe mich gerade auch um eine Lerngruppe mit einer Muttersprachlerin. Aber vielleicht kann man mindere Korrektur der Aussprache auch als gute Schule für spätere Begegnungen mit Japanern sehen. Vielleicht ist es gut gleich zu lernen, seine eigenen Fehler selbst zu entdecken und eigenständig an ihrer Behebung zu arbeiten, weil die japanische Seite nur ungern die Unhöflichkeitshürde überwindet, um dies anzuregen? Ich kenne das vom Kontakt mit Türken in Deutschland, die zwar oft erfrischend direkt bei Kritik sind im Vergleich zur "verfeinerten" deutschen Umgangsform, dann aber, wenn es um persönlichen Respekt und private Höflichkeit geht, im Vergleich zum deutschen Gebrauch sehr viel Wert darauf legen, der Gegenseite kein schlechtes Urteil auszusprechen. Wenn man da etwas falsch macht, ist es gut, es selbst zu bemerken. Nicht, weil die Türken den Fehler nicht bemerken oder hinter dem Rücken darüber reden wollen, sondern weil der Anstand ihnen verbietet, dich darauf hinzuweisen und damit herabzusetzen (gegenseitige Achtung natürlich vorausgesetzt: wer achtlos mit Anderen umgeht, wird auf der ganzen Welt umgehend auf gleiche Weise Erwiderung erfahren).