Beitrag #8
RE: ni / ni ha etc.
Das ist ein interessantes Problem.
"Interessant" jetzt weniger in der Hinsicht, daß man wirklich ernsthaft darüber diskutieren müßte, wo der Unterschied zwischen "Ich fahre nicht nach Ulm" und "Nach Ulm fahre ich nicht" liegt, sondern "interessant" vielmehr in der Hinsicht, daß die Zahl der deutschen Muttersprachler, für die es wahrlich und wahrhaftig ein Problem ist, den Unterschied zu erkennen/erfühlen, nach meiner Beobachtung enorm zugenommen hat.
Ich weiß zwar nicht, woher diese Probleme rühren, aber ich erfahre als Sprachlehrer direkt und am eigenen Leibe, wie schwierig es geworden ist, in der heutigen Zeit Fremdsprachen zu unterrichten - in einer Zeit, in der man nicht mehr davon ausgehen kann, daß die deutschen Muttersprachler, die da vor einem sitzen, in der Lage sind, den Ausführungen des Lehrers zu folgen. Und zwar nicht, weil sie zu kompliziert, unverständlich oder sonst etwas wären, sondern schlicht und ergreifend deswegen, weil sie ihrer eigenen Muttersprache nicht mehr in dem Maße mächtig sind, wie man es unwillkürlich voraussetzt.
Als Sprachlehrer ist man ja meist doch darauf angewiesen, daß die Schüler ihre Muttersprache beherrschen. Schließlich will man ihnen ja auf deren Grundlage eine FREMDsprache beibringen... Aber ich merke zunehmend, wie viel Zeit man einplanen muß, um zunächst noch einmal sicherzustellen, daß die entsprechenden DEUTSCHEN Strukturen bei allen vorhanden sind... und selbst, wenn man das macht (was sehr viel Zeit kostet, die eigentlich für etwas anderes gedacht war), so passiert es dennoch immer wieder, daß noch etliche neue Probleme auftauchen, bei denen man nicht im Geringsten auf die Idee gekommen wäre, daß sie überhaupt ein Problem darstellen würden... (Und ich rede jetzt nicht davon, daß irgendwelche grammatischen Begriffe unklar wären o. ä., sondern davon, daß jemand als deutscher Muttersprachler allen Ernstes keinen Unterschied zwischen "Ich fahre nicht nach Ulm" und "Nach Ulm fahre ich nicht" erkennen kann... Ehrlich gesagt, bin ich da oft auch kaum in der Lage, so etwas zu "erklären"... so etwas muß man in der eigenen Muttersprache doch FÜHLEN!)
Pardon, wenn das Posting etwas OT geworden ist, aber der hier zur Debatte stehende Fall trifft genau einen blanken Nerv bei mir. Ich gebe sicher nicht in erster Linie den Schülern selbst die Schuld daran, daß ihnen das Gefühl für ihre eigene Muttersprache abhanden kommt, ich stelle nur fest, daß dies in den letzten Jahren beständig zugenommen hat (was mich im Unterricht in große Bedrängnis bringt, weil ich ja eigentlich nicht Deutsch unterrichten wollte, sondern eine Fremdsprache!). Ich frage mich nur ernsthaft, was die wahren Ursachen dieser Entwicklung sind...
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 12.09.04 19:36 von Botchan.)
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