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Japanische Grammatik in vormoderner Zeit
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Beitrag #1
Japanische Grammatik in vormoderner Zeit
im thread "Frage(n) zur Schulgrammatik " kam die Diskussion zuletzt
auf das Thema "Anfänge japanischer Grammatik" und "Einfluß europäischer Grammatik-
traditionen. Ich greife mal die Anregung dort auf, einen neuen Faden hierzu zu
eröffnen. Zunächst in Teilen die Diskussion aus dem og. thread:

Zitat: Plasma schrieb am 21.04.2008 17:21:

Allgemein zu Grammatik: Mir fallen spontan drei verschiedene Grammatiken für das Japanische ein, jede natürlich mit ihren Vor- und Nachteilen. "Falsch" kann man sie nicht nennen, es sind halt nur andere Herangehensweisen. Jeder der sich z.B. Rickmeyers japanische Morphosyntax durchgelesen hat, wird schnell merken, dass sie sich erheblich von der der Schulgrammatik unterscheidet. Die Schulgrammatik erscheint mir SEHR präskriptiv, was uns zu dem wohl größten Problem führt. Eigentlich gehört die Schulgrammatik nämlich gar nicht dem Japanischen. Als damals die Holländer rüberkamen, übernahmen die Japaner fast 1:1 die holländische Grammatik. Dass das nicht gut gehen kann, weil Holländisch und Japanisch von Grund auf verschieden sind, liegt auf der Hand. Somit hat man versucht die Japanische Sprache da irgendwie reinzuzwängen und es ist ein seltsamer Mischmasch dabei rumgekommen.
Mein erster Kritikpunkt wäre somit, das System der Wortarten in der Schulgrammatik. Sie listet viele doppelt und hat einige redundante Wortarten. (eben weil nicht alle Wortarten im Holländischen mit denen im Japanischen übereinstimmen)
Ein Beispiel dafür:
Sūshi, Rentaishi oder auch Setsuzokushi sind überflüssige Wortarten. Die Unterscheidung zwischen Sūshi und Meishi hat im klassisch Japanischen vielleicht noch Sinn gemacht, das gebe ich zu, aber heute sind die beiden Wortarten zusammengefallen. Rentaishi ist ein sehr schwammiger Begriff, der vieles zusammenwirft, sei es nun Suffix oder Adnomen, die Wortart ist einfach nur willkürlich bunt gemischt. Setsuzokushi gibt es ebenfalls nicht im Japanischen, bzw. wenn sind sie wohl größtenteils mit Adverbien gleichzusetzen, was sie also zu Fukushi werden lassen würde.
Ich könnte jetzt noch sehr ausführlich auf die Jodôshi eingehen, eine wirklich haarsträubende Gruppe in die ALLES geworfen wird, sei es auch noch so unterschiedlich.
Der nächste große Kritikpunkt den ich habe, ist, dass nach der Schulgrammatik krampfhaft, selbst bei einer morphosyntaktischen Analyse, die Kana-Grenzen eingehalten werden. Das ist aus linguistischer Sicht betrachtet, wirklich gröbster Unsinn. Die einzelnen Morpheme lassen sich so gar nicht analysieren. Die Ortographie einer Sprache sollte in der Linguistik bestenfalls ein Randphänomen sein, sie hat mit der Sprache an sich nichts zu tun.
Nehmen wir als Beispiel "desu" wie z.B. in shizuka desu. Nun sagt mir die Schulgrammatik, dass es sich wohl um ein Jodôshi handelt. Jodôshi sind aber allerdings nicht flektierbar, was sagt die Schulgrammatik dann zu dem Perfektivem Äquivalent "desita" (oder auch Futur "deshou")? Eindeutig eine Flexionsform des Jodôshi. Viel präziser wäre es also doch zu sagen, dass "desu" nicht nur ein Verb ist, sondern außerdem aufgrund der lockeren Affigierung, ein Partikel. Es gibt übrigens noch unzählige andere Beispiele...

Zitat:
(21.04.08 17:08)adv schrieb:Rickmeyer spricht denn auch von "Partikelverb"

Zitat:Eigentlich gehört die Schulgrammatik nämlich gar nicht dem Japanischen. Als damals die Holländer rüberkamen, übernahmen die Japaner fast 1:1 die holländische Grammatik.

In Lewin wird nur kurz angerissen, das die jap. Grammatik an die europäische
Tradition angelehnt ist. Ein interessantes Thema! Lewin erwähnt einige jap.
Philologen der Edo-Zeit, vor allem Fujitani (1738-1779). Weißt Du da über die
Anfänge der in "japanischen Grammatik" sp. die Klassifizierung in Wortkategorien mehr?

(21.04.08 17:47)Plasmo schrieb:Yamada Yoshio stellte Anfang des 20. Jahrhunderts in seiner Grammatik eine Aufteilung in vier Wortarten vor: Taigen, Yōgen, Fukushi, Joshi. Das ist der mir älteste bekannte Versuch eine japanische Grammatik aufzustellen. Soweit ich weiß hat Fujitani Nariakira sich nicht um ein komplettes System bemüht, sondern hat nur grundlegende Gedanken dazu verschriftlicht.

EDIT:
Habe mal ein bisschen nach Fujitani Nariakira gesucht und anscheinend hat er doch schon ein Wortarten System, welches wie folgt aussieht, hervorgebracht: Na (Nomen), Yosoi (Verben und Adjektive), Kazashi (Demonstrativa, Pronomen, Adverbien, Konjunktionen, Interjektionen), Ayui (Postpositionen, Hilfswörter, Suffixe der Verben und Adjektive)
Scheint nicht sehr genau gewesen zu sein, aber dennoch sehr beachtlich, wenn man die Entstehungszeit in Betracht hinzuzieht...
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 22.04.08 07:10 von adv.)
21.04.08 20:56
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Beitrag #2
RE: Japanische Grammatik in vormoderner Zeit
Habe nun auch noch ein wenig zu Fujitani nachgelesen:

Nach Miller entwickelte Fujitani sein Klassifizierungssystem in Unkenntnis indischer
und westeuropäischer Grammatiktraditionen! Seine 4 Hauptkategorien
waren ja schon genannt:

1) na "Name" = alle flektionsfreien, freien Formen = heute: Nomen

2) yosoi "Ausstaffierung, Schmuck" = alle flektierbaren Sprachformen

3) kazashi "Haarnadeln" = alle gebundenen Formen, die syntaktisch den
Einheiten seiner 1. und 2. Kategorie vorangestellt werden

4) ayui "Saumbänder" = alle gebundenen Formen, die den Einheiten, auf
die sie sich beziehen nachgestellt werden.

Kategorie 2-4 sind sozusagen die "Bekleidung" der Nomen, so wie die "Haarnadel"
die Frisur (Nomen) zusammenhält und zugleich modifiziert und das "Saumband"
dazu diente, den unteren Teil der jap. Festkleidung der Männer hochzubinden.

Fujitani ging es in erster Linie um die Formen und Sprachstrukturen der japanischen
Lyrik. Sein System war schon sehr detailliert, zb in der sehr differenzierten
Darstellung der Partikel-Funktionen ..

Nach Miller wurden die mit Fujitani, Gimon und anderen gerade begonnene
einheimische Grammatiksysteme gegen Ende der Tokugawa-Periode mit dem
Einzug westeuropäischer Grammatiktraditionen im Keime erstickt.

Gimon, 1786 - 1843, ein Priester und Spezialist für historische Phonologie
hatte aufbauend auf dem Sytem Fujitanis insbesondere dessen 2. Kategorie
der Flexionsformen weiter untergliedert.
(Dieser Beitrag wurde zuletzt bearbeitet: 21.04.08 21:43 von adv.)
21.04.08 21:20
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