Zitat:Hallo ich versuche gerade herauszubekommen,
wovon sich der Ortname Nara, 奈良 ableitet und
ob die Kanji, 奈良, hier eine Bedeutung oder
nur Lautwerte tragen?
Die zweite Frage ist einfach: ja, es handelt sich um Phonogramme, genauer gesagt (ji)ongana ((字)音仮名), d.h. Phonogrammen mit Lautwerten, die direkt auf irgendeiner Form des Chinesischen oder auf einer Form des Sinoxenischen (also Sinokoreanisch, Sinojapanisch etc) basieren. Bei beiden handelt es sich um absolute Standardphonogramme, die in quasi jedem altjapanischen Text verwendet wurden -- die Bedeutung ist hier völlig irrelevant.
Die kana なら und ナラ sind lustigerweise auch genau aus diesen beiden chin. Zeichen entstanden, durch Kursivierung bzw. Kürzung.
Zitat:Die Theorie, das Nara sich vom (alt)koreanischen narak =
Land ableitet, erscheint nicht so glaubhaft, da aus narak
eher naraku oder naraka, aber nicht nara geworden wäre.
1) Die Herleitung macht semantisch nur sehr bedingt Sinn. Zudem sollte man sich im Klaren darüber sein, daß ein Großteil der japanischen Ortsnamen etymologisch _völlig_ unklar sind. Es muß nicht notwendigerweise irgendwas japanisches sein (ums vorwegzunehmen: für Ainu-Ortsnamen liegt Nara viel zu westlich, die häufen sich ab Noto ostwärts in etwa).
2) *narak ist so weit ich mich erinnere im pre-Mittelkoreanischen/Altkoreanischen nicht wirklich als solches belegt, sondern ein hypothetisches Konstrukt, eine Protoform. Im Mittelkoreanischen ist das Wort belegt (siehe auch deine Quelle für diese Sachen), aber halt nicht mit -k, zudem liegt noch annähernd ein Jahrtausend zwischen dem Mittelkoreanischen (die angeführten Belege sind i.d.R. aus der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts oder später, also nach der Proklamierung der Schrift Hangûl unter Kg. Sejong) und der wahrscheinlichen Entstehungszeit des Namens Nara. Da kann sich einiges getan habe, solche Vergleiche sind sehr wackelig.
3) Wenn man unbedingt wollte, könnte man die *narakV-Hypothese auch noch retten. Neben der von dir genannten Schreibung gibt es auch die Schreibung 寧楽 für Nara -- eine weitere phonograpische übrigens. 楽 wurde im AJ auch als zweisilbiges Phonogramm für /rakV/ (V = irgendein Vokal) verwendet, ABER auch sehr oft für /ra/ alleine. Wie das zweite Zeichen hier also zu lesen ist (ra? rakV?) ist nicht klar, alle anderen Schreibungen (z.B. auch 那羅) lassen auf ra schließen, zudem sollte man nicht vergessen, daß in Ortsnamensschreibungen oftmals auch semantische Aspekte eine Rolle spielten (siehe auch das Edikt ausm Jahr Wadô 6 etc.), welche die phonologische Toleranzgrenze offenbar teils sehr erhöhten.
Zitat:Nach anderen Quellen könnte nara aus narashita, narashi
entstanden sein.
奈良時代の人は、語源をどのように考えていたか 『日本書紀』
崇神天皇紀によると、草木を踏んで地面を「なら」した、
すなわち平面にしたことから 「なら」と呼んだ
という話が出てきます。
しかし、それは、奈良時代の人が考えていた語源です
(奈良時代の語源理解)。
Etymologierungsversuche im Nihon shoki, den Fudoki etc. sind i.d.R. sehr problematisch und treffen wohl nur in den seltensten Fällen zu. Man darf nicht vergessen, daß von offizieller Seite eine Erklärung der Ortsnamensursprünge verlangt wurde und die Lokalbeamten also _irgendwas_ abliefern _mußten_. Wenn man z.B. im Izumo fudoki die Sachen liest, dann sind da massenweise unglaubwürdige und sehr konstruiert wirkende Etymologien, die aus Not und Unwissenheit Anfang des 8. Jh.s wohl schnell mal aus den Fingern gesaugt wurden.
Interessant ist dieser Ansatz des NS hier aber insofern, als daß diese Interpretation durch Schreibungen für Nara im Man'yôshû unterstüzt wird:
Für Nara selbst findet sich neben 奈良, 名良 (über na 'Name' + ongana ra) und 楢 (kungana, über nara 'Eichenart') auch die sonst bekannte Schreibung 平城京 --- man beachte das Zeichen 平.
Interessanter ist dann eigt. wie der Narayama geschrieben wird: 奈良山, 楢山, und auch 平山 sowie 常山. Letztere beiden Schreibungen würden bei der NS-Etymologie semantisch hinkommen.
Das heißt nicht, daß dies richtig sein muß, aber zumindest war es in der Nara-Zeit offenbar eine verbreitete Interpretation des Namens Nara, was ja auch schon mal registriert werden kann. Kurz: Entweder man sieht Nara als einen etymologisch ungeklärten Namen an, womit er in bester Gesellschaft (nicht nur) in Japan wäre, oder man schenkt der NS-Variante glauben, die ja zumindest wenigstens Nara-zeitlich auch bekannt war.