Ich weiß, das Thema ist alt, ich bin aber auf den Thread hier gestoßen, fand das Thema interessant und wollte kurz ein, zwei Erläuterungen nachschieben, weil ich offenbar gerade nix Besseres zu tun habe. Also: Ein solches Baumdiagramm kann gut dabei helfen zu erklären, warum welche Teile in einem Satz auftauchen oder aber nicht auftauchen. Für den Übersetzungsprozess ist dies eigentlich unerlässlich, es verhindert nämlich, dass man sich schon ab dem zweiten oder dritten Satz bei der Übersetzung auf dem Holzweg befindet. Je weiter man dann den Text übersetzt, desto mehr entfernt sich sein eigenes "Werk" von der Ausgangsbedeutung des Textes, den man aus dem Japanischen ins Deutsche zu übertragen versucht. Wer sich nur so aus Spaß mit Japanisch befasst: vielleicht egal. Wer Japanologe werden möchte: nicht egal, denn: Wenn man professionell (= für Geld) oder wissenschaftlich übersetzt, kann man nicht einfach "so mal eben" übersetzen, wie man meint, dass es "so in etwa wohl stimmen müsste". Dann bekommt man nämlich keine Jobs mehr (spricht sich in der Branche schnell rum) oder wird von der Wissenschaft nicht ernst genommen (spricht sich unter den Wissenschaftlern schnell rum).
Ein Beispiel für ein Baumdiagramm bzw. Dependenzen:
"Ich trinke einen Wein."
Die Satzstruktur ist simpel. Trotzdem müsste man sie, wenn man Japaner ist und Deutsch lernt, vollständig erklären können: Das Verb bildet den Satzmittelpunkt. Deutsch ist eine Verb-II-Sprache. Das Verb gehört in Position II, wo es auch steht (vgl. Einen Wein trinke ich. Position I: Einen Wein, Position II: trinke). "trinke" hängt ab vom Subjekt (ich), das Subjekt beeinflusst die Konjugation des Verbs (ich trinke, du trinkst). Das Verb "trinke" braucht daneben, um in einem geschriebenen Satz zu funktionieren, ein Subjektiv (steht im Nominativ, deshalb "ich" und nicht mir, mich) und ein Objekt (Wein). Objekte gehören im Deutschen grundsätzlich gesagt (aber nicht immer) in den Akkusativ (deshalb einen, nicht ein). Die Form des Artikels ist abhängig vom Kasus von Wein, die Position auch (tritt davor auf).
Das ist jetzt viel Grammatik für einen Satz, unnötig, wird sich so mancher dazu denken, so etwas löst man doch über Sprachgefühl. Aber: Das Problem ist, dass die wenigsten Studierenden nach zwei Jahren Unterricht das entsprechende Sprachgefühl aufbauen können, das kommt erst nach vier, fünf Jahren oder früher oder später oder gar nicht. Hat man simple Texte nach dem Schema A ist B. B macht C. D geht dann nach E, kann man sich fein durchmogeln. Hat man einen komplizierten Gesetzestext, geht das dann nicht mehr. Dann ist die einzige verbleibende zuverlässige Möglichkeit, die Übersetzung nicht zu verhageln, grammatisch möglichst genau zu bleiben.
Ist länger geworden, als ich dachte. Sollte übrigens gar nicht so kritisch sein, wie es jetzt geworden ist. Aber ich habe in meinem Studium sehr viele Leute über Baumdiagramme meckern hören, die meisten davon hätten gut daran getan, mal eines zu zeichnen