@ Matthias
Ich gebe Dir völlig recht, daß manche Lehrbücher mehr Verwirrung stiften können als sie einem zu nutzen vermögen. Aber das hat dann m. E. in aller Regel wenig damit zu tun, ob man für sprachliche Erscheinungen die japanischen oder eben angepaßte (!) deutsche Benennungen wählt.
Der Sprachunterricht für Leute, die die Sprache als Fremdsprache lernen, unterscheidet sich wohl in allen Ländern von dem Sprachunterricht für die eigenen Muttersprachler. Viele Dinge, die man z. B. einem DaF-Schüler alle erläutern und erklären muß, kommen - selbst in sehr gutem - Deutsch-für-Muttersprachler-Unterricht nicht vor. [Das bemerkt wohl jeder, der mal auf die typischen Fragen eines deutschlernenden Ausländers antworten soll... Da merkt man nur zu gut, was man eigentlich selber gar nicht weiß und nie gelernt hat - aber eben auch nie lernen mußte, weil man als Muttersprachler nun einmal ein Sprachgefühl besitzt.]
Und so gibt es nicht umsonst auch den didaktisch fundierten Unterschied zwischen der "Nihongo-bunpô" (JaF-Grammatik) und der "Kokugo-bunpô" (Japanisch-für-Muttersprachler-Grammatik, die z. B. im Kokugo-Unterricht an japanischen Schulen verwendet wird). Sich auf den Standpunkt zu stellen, "Japanisch lernt man am besten, wenn man die Grammatik von Anfang an genauso betrachtet, wie es die Muttersprachler tun" wäre ein heftiger Schritt zurück und würde die Erkenntnisse der JaF-Forschung, die in den letzten Jahren gerade in Japan Hochkonjunktur hat, zur Makulatur erklären.
Nur ein Beispiel: Die allseits beliebte "te-Form", die man natürlich als JaF-Lerner/Lehrer irgendwie benennen muß (te-Form/te-kei/...), kommt in der original japanischen Grammatik überhaupt nicht als solche vor. Sie wird dort einfach als Variante der Renyôkei betrachtet, und ich wette mit Dir um einen Hektar Streuselkuchen, daß jeder stino-Normaljapaner (JaF-Lehrer natürlich ausgeschlossen
), den Du auf der Straße fragst, welche Regeln es für die Bildung dieser Form bei den einzelnen Gruppen der Verben gibt, daß also eben dieser Japaner seinen Kopf schief legen und Dich verlegen anlächeln wird, denn er hat in seinem ganzen Leben noch nie auch nur davon gehört, daß es dafür REGELN gibt.
Das, was jeder JaF-Lerner nach ein paar Lektionen aufsagen kann ("Nach u, tsu, ru ein kleines tsu, nach mu, nu, bu ein n usw. usf."; dafür gibt es ja im JaF-Unterricht sogar Gedichte und Liedchen) ist in der Kokugo-bunpô VÖLLIG unbekannt. Das lernt und weiß kein Japanisch-Muttersprachler. Wieso auch? Er macht's ja sowieso richtig.
Aber einem JaF-Lerner muß man so etwas natürlich erklären. Und da muß man entsprechende Regeln "finden". Und dann muß man auch manchmal Benennungen kreieren (z. B. eben "te-Form"), die es in der muttersprachlichen Grammatik des Japanischen gar nicht gibt. Lange Rede, kurzer Sinn: Der Standpunkt "Ein Ausländer lernt eine Sprache am besten von Anfang an nach dem muttersprachlichen System (d. h. also auch mit den Kategorien und Benennungen dieses Systems)" ist sprachdidaktisch unhaltbar. [Nebenbei: Sonst wäre ja z. B. auch die gesamte DaF-Forschung Mumpitz - dann würde Germanistik ja reichen.]
Noch zu Deinem "Nomen"-Problem. (Du meinst "Meishi", oder? "Nomen" sagt man in Japan wohl doch eher nicht. - Aber das nur am Rande.) Ich vermute, Du meinst solche Fälle, wie genki, soutou (相当) usw., die sowohl als Meishi als auch Keiyôdôshi (und z. T. auch noch als weitere Wortarten) fungieren können. "Kirei" und "yuumei" (jedenfalls das übliche 有名) gehören aber ganz sicher nicht dazu. Da wäre ich auch daran interessiert, Belege für Deine These zu sehen.
[PS: Auch gerade "nai" ist so ein Fall... da streiten sich auch die Gelehrten, zu welcher Wortart das wohl gehören mag... das "Kôjien" z. B. nennt es als Hilfsverb, i-Adjektiv, Interjektion und Endung. Mein verehrter akademischer Lehrer Anthony E. Backhouse (Hokkaidô-Universität) hat jüngst gerade dazu geforscht und vorgetragen - vermutlich gibt's das auch irgendwo gedruckt. Aber nun mache ich wirklich Schluß.
]